Friday, der 19 April 2024
 
 
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Katrin Bamberg - Spinnradmärchen
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Es war einmal... vom Schicksalsfaden
Ein Wort vorweg Vom Faden des Schicksals wird im Märchen oft erzählt. Zurecht gemacht wird er von den Schicksalsgöttinnen, die dem Leben die Richtung und die Länge v ...
Es war einmal... vom Schicksalsfaden

Ein Wort vorweg

Vom Faden des Schicksals wird im Märchen oft erzählt. Zurecht gemacht wird er von den Schicksalsgöttinnen, die dem Leben die Richtung und die Länge vorgeben. Sie spinnen Glückssträhnen und Pechsträhnen hinein – nach Lust und Laune. Dann aber nimmt jedes Menschenkind sein eigenes Schicksal in die Hand und mit seinem freien Willen darf es mutige Entscheidungen treffen.

Vom Schicksalsfaden

In einem fernen Land lebte ein König, dessen Sohn endlich herangewachsen war. Aber eine Braut hatte er noch keine. 

„Das wird sich schon finden“, sprach der König. „Ich werde mir etwas einfallen lassen, sonst lerne ich in diesem Leben meine Enkelkinder nicht mehr kennen. Das wäre doch schade!“

Der König ließ einen Palast errichten, groß und von einem wahren Meister bis ins letzte Detail geplant. Endlich war alles fertig! Der Palast glich einem Labyrinth und hatte die edelsten Säle und Kammern aufzuweisen. So wurden nun alle schönen Prinzessinnen und Töchter der Fürsten und Grafen eingeladen zu einem großartigen Fest. Die Nachricht verbreitete sich in Windeseile und die Gäste kamen herbei.

Als alle versammelt waren, verkündete der König: „Ihr Mädchen, versucht euer Glück! Wer von euch durch alle Räume gehen kann und wieder herausfindet, der soll den jungen Prinzen zum Manne haben!“ 

Die Mädchen irrten im Palast umher, doch keine konnte den Weg finden. Es waren ja so viele Säle und Kammern. Manche Mädchen schafften es durch vier oder fünf Räume. Manche schafften es bis ins erste Stockwerk, aber dann irrten sie umher und weinten verzweifelt. Manche schrien um Hilfe. So verließ auch bald die letzten der Mut. Der König sah es wohl und grübelte. „Vielleicht habe ich die Aufgabe zu schwer gemacht!“ Er verlor die Hoffnung.

Aus den nahen Städten und Dörfern war allerhand Volk herbeigeströmt und beobachtete das Spektakel. Die vielen elegant gekleideten Damen schienen auch nicht klüger zu sein, als sie selbst!

Ein Mädchen war in der Menge, die wollte sich das Schauspiel nicht entgehen lassen und sah wie die Königstöchter weinend davon gingen. Da kam es ihr in den Sinn, es selbst zu versuchen. Ihre Mutter hielt sie am Ärmel und rief: „Mein Kind, wie kannst du es wagen! Das ist doch nur für Königstöchter, aber wir sind arme Leute.“ Der Königssohn sah das Mädchen, wie es sich losmachte. Schön war sie! Lieblich wie eine Pfingstrose! 

Da kam er auf sie zu und fragte: „Willst du es versuchen?“ Schon trat sie mit sicheren Schritten in den Palast, ging von Raum zu Raum. In einem fand sie einen Ring, den steckte sie sich an den Finger. Im nächsten Raum lag ein Kleid ausgebreitet. Es war so schön und zart. Da zog sie es an und lief durch alle Säle und Kammern. Endlich kam sie wieder heraus und alle staunten. Sie war als Braut gekleidet. Da trat der Königssohn vor sie und nahm sie bei der Hand. Sein Mund stand offen und er konnte kein einziges Wort sagen. Dafür erzählten seine Augen umso mehr. Der König fasste sich schnell und sprach: „Nun soll Hochzeit gefeiert werden. Alle wurden eingeladen. Das war ein Fest!“

Als am späten Abend der König neben seiner Schwiegertochter an der Festtafel saß, fragte er: „Sag, wie konnte es dir gelingen, was all die anderen nicht schafften? Was hast du gemacht?“ 

„Oh, es war ganz einfach. Ich habe meinem Schicksal vertraut und den Faden an der Eingangstür zum Palast festgemacht. Dann führte es mich wie von selbst durch ganz verschiedene Räume. Die Dinge, die ich auf meinem Weg fand, nahm ich mit. Auf dem Weg zurück habe ich den ganzen Faden wieder aufgewickelt. So konnte ich mich nicht verirren und fand wieder heraus.“ 

Da freute sich der König von ganzem Herzen, dass er so eine schöne und kluge Schwiegertochter gefunden hatte. Genau wie er sie sich gewünscht hatte. Und sein Sohn? Der strahlte vor Glück. Seht ihr? Sie war arm, aber klug und wurde eines Tages Königin. Seit dieser Zeit weiß man, dass kluge Leute auch in einfachen Hütten zu finden sind und nicht nur in Palästen.

Erzählfassung: Katrin Bamberg (nach einem Märchen aus Rumänien)

 

Herzliche Grüße 

Katrin Bamberg

 

Öffentliche Erzähltermine:

Dienstag, 16.04.2024 10 Uhr, Kehl - Schmetterlingsausstellung

Freitag, 21.04.2024 15 Uhr, Mösbach - Kirschblütenzauber

Freitag, 26.04.2024 19 Uhr, Kirche Sand - Wunschpunsch

Dienstag, 30.04.2024 20 Uhr, Theater der 2 Ufer - Walpurgisnacht

Samstag, 04.05.2024 15 Uhr, Bogenwald Niedersachsen - Märchenfest

Sonntag, 26.05.2024 15 Uhr, Theater der 2 Ufer-  Im Zauberwälchen

Neuigkeiten
Es war einmal... das Wiesenglöcken
In einem kleinen Dorfe, das zwischen Feldern, Wiesen und Wäldern lag, kam ein Knabe zur Welt. Seine Eltern waren voller Glück, herzten und küssten ihn und betteten ihn in einer Wi ...
Es war einmal... das Wiesenglöcken

In einem kleinen Dorfe, das zwischen Feldern, Wiesen und Wäldern lag, kam ein Knabe zur Welt. Seine Eltern waren voller Glück, herzten und küssten ihn und betteten ihn in einer Wiege. Sie hängten vom ersten Lebenstag an ein goldenes Glöckchen über die Wiege und wenn die Mutter das Kind in den Schlaf wiegte, kamen die zartesten Töne aus dem Glöckchen. Es klang lieblich und fein, da schlief das Kindlein sanft und zufrieden. Wie der Knabe heranwuchs, war er wohl das glücklichste Kind auf der Erde. Immer trug er das Glöckchen bei sich, lächelte fröhlich und war ein Segen für alle Menschen. Die Leute im Dorf meinten, das läge wohl an dem Glöckchen. Als er älter wurde sammelte er weitere Glöckchen. Er brachte sie von seinen Reisen mit, andere bekam er geschenkt. So kam ein Glöckchen zum anderen und er verwahrte sie in einer Truhe. Das liebste aber war jenes, das über seiner Wiege gehangen hatte. Als er zu einem jungen Mann herangewachsen war, starben ihm Vater und Mutter. In seiner Einsamkeit war er oft sehr traurig und eines Tages sah man ihn mit seiner Truhe hinunter ins Tal laufen. Er trug seinen Schatz in der Truhe zu einer herrlichen Sommerwiese am Bach. Ein Glöckchen nach dem anderen holte er hervor, läutete sie alle sanft und schenkte die schönsten Melodien dem Wind. Manche waren traurig, manche voller Hoffnung. Das hättet ihr hören sollen. 

Doch noch mehr hättet ihr gestaunt, was man dann sah: aus jedem Glöckchen schlüpfte eine kleine Elfe hervor und tanzte über die Wiese. Als er das Wiegenglöckchen spielte, erschien eine Elfe von so großer Schönheit, dass ihm das Herz bis zum Halse schlug. Doch kaum war das Glöckchen verstummt, war die Elfe verschwunden. Da läutete er es erneut und sie trat wieder hervor. „Ich werde mir das Glöckchen um den Hals hängen“, überlegte er „dann kann sie für immer bei mir sein und ich kann sie jederzeit erscheinen lassen.“ Geschwind hängte er sich das Glöckchen um und machte sich zufrieden auf den Heimweg. Er vergaß alle anderen Glöckchen und war so glücklich mit seiner Elfe, die er in seinem Hause freiließ, wann immer er wollte. Fortan nannte er sie die Glockenelfe und lebte eine lange Zeit vergnügt und froh, doch von Monat zu Monat wurde die Elfe trauriger und stiller. Als draußen dichte Schneeflocken fielen, war sie fast durchsichtig geworden. Nachdenklich legte er das Glöckchen in eine Ecke und wartete einige Zeit. Doch packte ihn die Ungeduld und eines Tages schüttelte er das Glöckchen mit aller Kraft. Da fiel die Glockenelfe taumelnd zu Boden. „Oh je, was soll ich nur tun? Ist sie krank? Oder sehnt sie sich nach den anderen Elfen?“, überlegte der junge Mann. Schnell lief er hinunter zur Wiese am Bach. Noch lagen Reste vom Schnee und Eis an den schattigen Hängen. Doch da sah er es auch schon: Die vielen Glöckchen, die er auf der Wiese hatte liegen lassen – sie hatten ihren Glanz verloren und waren verrostet. Erschrocken hob er sie auf und bewegte sie, doch keines davon hatte noch seinen hellen Klang. Traurig nahm er das Glöckchen vom Hals und legte es zu den anderen. „Was habe ich nur getan?“, weinte er voller Kummer. Da war es ihm, als wären die Glöckchen alle gestorben und er grub für jedes ein Loch in die Erde, legte sie einzeln liebevoll hinein und deckte sie mit Erde zu. Er weinte so bitterlich und konnte sich nicht trösten. Jede Träne, die zur Erde fiel, benetzte das Erdreich. Vor Erschöpfung sank er zu Boden und verlor die Besinnung und blieb da liegen einige Stunden. Als er wieder zu sich kam, setzte er sich auf und rieb sich verwundert die Augen. Die ganze Wiese war voller Blumen, sie leuchteten hell. Da streckte er seine Hand aus, um sie zu pflücken. Doch berührte ihn jemand ganz sacht und als er sich umdrehte, stand seine Glockenelfe vor ihm und sprach: „Du hast mich erlöst! Du hast mich freigelassen und ehrliche Tränen geweint. Nun kann ich für immer bei dir sein.“ Da umarmten sie sich und alle Blumen auf der Wiese ließen ihre Glöckchen erklingen. Noch am gleichen Tag wurde Hochzeit gehalten und die Braut trug einen Blütenkranz im Haar mit feinen Schneeglöckchen. Wenn man ganz genau hinhörte, konnte man es ganz zart läuten hören.

(Nach einem Märchen aus der Eifel. Erzählfassung: Katrin Bamberg)

Herzliche Grüße 

Katrin Bamberg

 

Öffentliche Erzähltermine:

Freitag, 08.03.2024 20 Uhr, Theater der 2 Ufer - Frauentag

Freitag, 15.03.2024 19 Uhr, Kirche Sand - Wunschpunsch

Dienstag, 16.04.2024 10 Uhr, Kehl - Schmetterlingsausstellung

Freitag, 21.04.2024 15 Uhr, Mösbach - Kirschblütenzauber

Freitag, 26.04.2024 19 Uhr, Kirche Sand - Wunschpunsch

Dienstag, 30.04.2024 20 Uhr, Theater der 2 Ufer - Walpurgisnacht

Märchen
Es war einmal... die Stäbe
Ein Vater hatte sieben Söhne, die oft uneins wurden. Über dem Zanken und Streiten versäumten sie zu arbeiten. Ja, einige böse Menschen hatten im Sinn, diese Uneinigkeit auszu ...
Es war einmal... die Stäbe

Ein Vater hatte sieben Söhne, die oft uneins wurden. Über dem Zanken und Streiten versäumten sie zu arbeiten. Ja, einige böse Menschen hatten im Sinn, diese Uneinigkeit auszunutzen. Es war eine gute Gelegenheit nach dem Tod des Vaters an das Erbe heranzukommen.

Eines Tages aber bat der Vater seine Söhne zu sich. Er legte ihnen ein Bündel mit sieben hölzernen Stäben vor, welches fest zusammengebunden war. „Ich werde demjenigen, der dieses Bündel Stäbe entzweibricht, hundert Taler schenken.“ Einer nach dem anderen strengte alle seine Kräfte an und jeder sagte nach langem vergeblichen Bemühen: „Es ist nicht möglich.“

„Und doch“, sprach der Vater, „ist nichts leichter.“ Er löste das Bündel auf und zerbrach einen Stab nach dem anderen mit geringer Mühe. „Ja“, riefen die Söhne, „so ist es freilich leicht, das kann sogar ein kleines Kind.“

Der Vater sprach: „Wie es mit den Stäben ist, so ist es auch mit euch, meine Söhne. Solange ihr fest zusammenhaltet, werdet ihr bestehen. Niemand wird euch übervorteilen können! Wird aber das Band, das euch verbindet gelöst, so geht es euch wie den Stäben, die hier zerbrochen liegen.“

Pfarrer Christoph Schmid

 

Mit dieser kleinen Geschichte wünsche ich dir einen zauberhaften Februar.

Katrin Bamberg

 

Öffentliche Erzähltermine:

Freitag, 16.02.2024 19 Uhr, Kirche Sand-  Wunschpunsch

Sonntag, 18.02.2024 15 Uhr, Theater der 2 Ufer-  Wintermärchen

Sonntag, 18.02.2024 18 Uhr, Bad Peterstal-  Klangraum Kirche

Sonntag, 24.02.2024 15 Uhr, Kehl LOLO-  Märchenstunde für Familien

Freitag, 08.03.2024 20 Uhr, Theater der 2 Ufer - Frauentag

Freitag, 15.03.2024 19 Uhr, Kirche Sand - Wunschpunsch

Neuigkeit
Es war einmal... Silvesternacht
Es war der letzte Tag des Jahres. Der Schnee lag tief über Weg und Steg. Da war ein kleiner Junge auf den Beinen, neue Schuhe hatte er an, einen grauen Schal und eine rote Zipfelmütze. ...
Es war einmal... Silvesternacht

Es war der letzte Tag des Jahres. Der Schnee lag tief über Weg und Steg. Da war ein kleiner Junge auf den Beinen, neue Schuhe hatte er an, einen grauen Schal und eine rote Zipfelmütze. Sein Name war Hans. Auf dem Rücken trug er einen kleinen Rucksack, darin lag ein Weihnachtskuchen und eine Heilig-Dreikönigskerze welche ihm die Mutter eingepackt hatte. Sie hatte auch an Ermahnungen nicht gespart, denn Hans sollte Großmutter und Großvater besuchen. Er dürfe nicht vergessen schön zu grüßen und zu danken und ihnen von Herzen ein gutes und gesegnetes neues Jahr zu wünschen. Ja, das wolle er schon.

Der Tag des Winters ist kurz. Schneewolken hingen in der Luft. Bald fielen die Flocken still und dicht wie Flaum aus einem großen Federbette. Als Hans ein Stück gegangen war, kam er auf den Gedanken, seine Wanderung durch einen Waldsteig abzukürzen. Immer dichter fiel der Schnee, bald fing es auch zwischen den Bäumen zu dunkeln an. Ehe Hans sich versah, war die Nacht gekommen. Spurlos war der Weg verschwunden. Wenn er bloß Streichhölzer gehabt hätte, würde er die Kerze anzünden um vielleicht so auf seinen Spuren zurückfinden zu können. So aber wusste er sich keinen anderen Rat, als sich unter einen Baum zu setzen und zu warten, bis die Sterne oder vielleicht der Mond hervorkämen.

Wie lange er dort gesessen hat, weiß bloß die Finsternis. Er war schon fast ganz eingeschneit, da sah er auf einmal in der Ferne ein Licht. Hans raffte sich auf und ging dem Scheine nach, bald darauf stand er vor einem Feuer, das so hell brannte, wie er desgleichen noch nie gesehen hatte. Rund um das Feuer saßen zwölf große Männer in weiten Mänteln. Still und ernst, beinahe wie Könige, saßen sie da und starrten in die Flammen. Einige von ihnen hatten Eiskronen auf dem Haupt oder Kränze aus Tannenzapfen, andere hatten grüne Zweige, Blumen oder goldene Ähren um die Stirnen. Der am ältesten schien, hielt einen Stab in der Hand und stocherte im Feuer. Langsam wandte er seinen Kopf. „Kennst du uns?" fragte er. „Das könnte wohl sein", antwortete Hans, denn er glaubte zu verstehen, dass er die zwölf Monate des Jahres vor sich habe. Der älteste, der den Stab hielt war sicher der Dezember; deshalb hatte er auch einen so dunklen Mantel an. „Dann sag's uns doch", ermunterte ihn der Greis, der das Feuer schürte. Und Hans sagte sein Sprüchlein, wie es der Großvater ihn gelehrt hatte.

 

Januar: Eismann, Schnee bis ans Dach hinan.

Februar: helle, kommt an die Schwelle.

März: geht mit Tauen, über Land, über Auen.

April: hat gemolken die Kuh in den Wolken.

Mai: da schallt Kuckuck im Wald.

Juni: hält bereit die Kränze für wunderbare Tänze.

Juli: jetzt locken auf Almen die Glocken.

August: beugt die Ähren, die uns ernähren.

September: reift Obst für Pfarrer und Probst.

Oktober: greift an deinen Schober.

November: kehrt aus, Wind um das Haus.

Dezember: Advent, Kerzlein schon brennt.

Der Greis mit dem Stock nickte beifällig. „Da du uns kennst" sprach er, „kennen wir dich auch. Rechtzeitig bist du gekommen, denn heute Nacht, wo das alte Jahr um ist, können wir deine Hilfe wohl gebrauchen. Siehst du, wie klein das Feuer geworden ist? Pass gut auf, was geschieht, wenn ich den Stock an Bruder Januar weiterreiche. Schlüpfe schnell unter seinen Mantel, dann wirst du sehen, wie das neue Jahr von den Sternen herabsteigt. Dann spute dich und hole uns mit deiner Kerze neues Feuer. Denn binnen kurzer Zeit wird das alte Feuer ausgehen." Wie der Alte das gesagt hatte, begann es in den Lüften zu klingen, als läuteten mächtige Glocken. Der Klang kam von fern und nah und schien über alle Länder und Reiche der Erde zu gehen.

Dezember richtete sich auf, hob den Stab und rief mit lauter Stimme:

„Nun, Bruder, geht der Stab von Hand zu Hand, dieweil die Neujahrsglocke läutet übers Land. Es segne Gott, der in den Himmeln thronet, nun alles, was in Erdentiefen wohnet."

Während er das sprach, war Hans unter den Mantel von Januar geschlüpft, der ihn wie ein großer weißer Nebel umhüllte. Oben leuchteten und glitzerten die Sterne hindurch, unten rührten sich alle Samen und Keime, und ein kleines feines Volk mit Laternen in den Händen kam heran. „Hier kommen wir mit dem neuen Jahr", sagten sie. Und wahrlich, als Hans hinschaute, lugten auch aus allen Wurzeln kleine Gesichter hervor. Es war ihm, als ob Wichte und Elfen Hochzeit feierten. Hans wurde von solchem Staunen erfasst, dass er beinahe seinen Auftrag vergessen hätte. Aber da merkte er, dass die Heilige-Dreikönigskerze bereits brannte. Einer der kleinen Wichte hatte sie angezündet. Hans hielt die Hand schützend vor die Flamme und schlich wieder unter dem Mantel hervor. Da war nur noch eine kleine Glut vom Feuer des alten Jahres übrig. Jetzt reichte Dezember den Stab an seinen Bruder Januar, und dieser nahm das Licht, das Hans in seiner Hand hielt und zündete damit das neue Feuer an. Gewaltig loderte die Flamme auf, das Licht wurde so mächtig, dass Hans seine Hände schützend vor die Augen halten musste.

Als er wieder zu sich kam, waren das Feuer und die zwölf Monate nicht mehr da. Das Wetter aber hatte sich aufgeklärt und über den Baumwipfeln stand der Mond rund und voll. Hans machte sich wieder auf den Weg. Im Mondlicht war es leicht, den Spuren im Schnee zurück zu folgen, und dort - geradeaus lag das Haus der Großeltern.

Im Dunkeln war er am Zaun vorbeigegangen „Glückliches neues Jahr", grüßte Hans, als er über die Türschwelle in die warme Stube trat. Da haben sich wohl die alten Leute gewundert und gefreut, denn gerade wollte der Großvater in den Wald gehen und Hans suchen. Die Großmutter hatte warme Milch mit Kandiszucker auf dem Herd, aber Hans war so müde, dass er kaum schlucken konnte. Da meinte die Großmutter, er solle lieber ins Bett gehen. Hans murmelte: „Ich glaube, der Weihnachtskuchen ist ganz, aber die Heilige Dreikönigskerze wohl kaum, denn mit der habe ich neues Feuer für die zwölf Monate geholt“. Und alsbald fiel er in tiefen Schlaf.

Startet gut ins neue Jahr, beste Gesundheit und alles Liebe wünscht euch

Katrin Bamberg

 

Öffentliche Erzähltermine:

Donnerstag, 04.01.2024 19 Uhr, Theater der 2 Ufer - Rauhnacht

Freitag, 12.01.2024 19 Uhr,  Kirche Sand - Wunschpunsch

Mittwoch,17.01.2024 20 Uhr, Reithalle Offenburg - Märchen für Erwachsene

Sonntag, 21.01.2024 15 Uhr, Theater der 2 Ufer - Wintermärchen

Mittwoch, 24.01.2024 16 Uhr, Mediathek Kehl- Vom frostigen Winter

Freitag, 16.02.2024 19 Uhr, Kirche Sand-  Wunschpunsch

Sonntag, 18.02.2024 15 Uhr, Theater der 2 Ufer-  Wintermärchen

Sonntag, 18.02.2024 18 Uhr, Bad Peterstal-  Klangraum Kirche

Sonntag, 24.02.2024 15 Uhr, Kehl LOLO-  Märchenstunde für Familien

Neuigkeiten
Es war einmal... Gerechtigkeit
Einst lebte ein Bauer, karg war sein Lohn, viel musste er seinem Gutsherrn abgeben. Und weil er reichlich viele hungrige Mäuler zu stopfen hatte, blieb ihm nur wenig. Es ging auf Wei ...
Es war einmal... Gerechtigkeit

Einst lebte ein Bauer, karg war sein Lohn, viel musste er seinem Gutsherrn abgeben. Und weil er reichlich viele hungrige Mäuler zu stopfen hatte, blieb ihm nur wenig.

Es ging auf Weihnachten zu. Eine einzige Gans hatten sie übrig, nur gab es zu dem Tier weder Brot noch Kartoffeln, selbst das Salz fehlte. Ein Jammer war das. Wie der Bauer nun die Gans geschlachtet, gerupft und ausgenommen hatte, dachte er: „Schönes Fleisch ist es schon, aber ohne Kartoffeln oder Brot. Nicht mal gesalzen! Ach, dann soll der Gutsherr sie nun auch noch haben!“ Die Frau erschrak, die Kinder weinten und der Bauer lief mit der geschlachteten Gans unterm Arm hinüber zum Gutsherrn. 

Die Herrschaft stand im Eingang versammelt, schön gekleidet, in den Händen hielten sie kristallene Gläser mit edlem Wein gefüllt. Der Gutsherr, seine vornehme Frau, zwei starke Söhne und zwei bildhübsche Töchter. Sie erwarteten ganz gewiss hohe Gäste zum Fest. Da platzte der Bauer herein, das tote Tier unter dem Arm. Er verneigte sich und sprach: „Die möchte ich hierlassen, zur Verehrung der Herrschaft. Vielleicht wird sich der Gutsherr dankbar zeigen und uns Brot und Kartoffeln dafür schenken. Dann würden die Kinder wenigstens an Weihnachten satt werden.“ – „Ich danke dir sehr“, sprach der Gutsherr „du scheinst dich mit der Gerechtigkeit auszukennen. Vielleicht willst du uns zeigen, wie man ein solches Tier gerecht unter uns allen hier teilt. Gelingt es dir, mir eine überzeugende Variante des Teilens zu zeigen, soll es dein Schaden nicht sein. Gelingt es dir aber nicht, so lasse ich die auspeitschen.“

Alle schauten mit großen Augen. Still war es, dass man hätte die Flöhe husten hören können. Der Bauer nahm sein Messer vom Gürtel und trennte der Gans den Kopf ab, überreichte ihm dem Gutsherrn und sprach: „Du bist das Oberhaupt der Familie, dir gebührt der Kopf.“ 

Dann trennte er Bürzel ab und reichte ihm der Herrin: „Du sitzt zu Hause und wachst über die Wirtschaft. Deshalb bekommst du den Allerwertesten der Gans.“

Darauf schnitt er die Füße ab und reichte jedem Sohn eines: „Ihr werdet in die Fußstapfen eures Vaters treten, deshalb bekommt ihr die Füße.“

Schließlich trennte er die Flügel ab und reichte sie den Töchtern: „Ihr beiden werdet groß und eines Tages das Nest verlassen, um eure eigenen Familien zu gründen. Euch gehören die Flügelchen.“

Der Bauer schaute in die erstaunten Gesichter und sprach: „So können alle zufrieden sein! Dann nehme ich den Rest der Gans.“ Der Gutsherr begann aus vollem Halse zu lachen. Er beschenkte den Schlauberger mit einem Korb voller Gemüse, einen Sack Kartoffeln und drei Broten. Zufrieden kam der Bauer bei der Frau und den Kindern an. Das gab ein Fest, glaubt es nur. Die Geschichte musste der Bauer wieder und wieder erzählen.

Natürlich erfuhr davon ein anderer Bauer. Der hatte nach dem Fest noch fünf stattliche Gänse im Stall und dachte bei sich. „Wenn ich die auf schlaue Art beim Gutsherrn vermehre, dann bin ich endlich reich.“ Schnell waren die Gänse geschlachtet und er trug sie zum Gutsherrn. „Ich bringe aus Verehrung meine letzten fünf Gänse.“ In Gedanken rechnete er schon aus, was er dafür wohl bekommen würde. „Nun, sprach der Herr, euer Geschenk freut und ehrt mich gleichermaßen. Doch wie gedenkt ihr dieses Geschenk gerecht aufzuteilen?“ Der Bauer überlegte und probierte, legte eine Gans für den Bauern, eine für die Frau beiseite, da reichte es nicht für die Kinder. Er konnte es drehen und wenden, fünf Gänse für sechs Personen, das ging nicht auf. Er würde obendrein leer ausgehen.

Der Gutsherr ließ den armen Bauern holen: „Teile sie gerecht auf!“, befahl der Herr. Der arme Bauer nahm eine Gans, überreichte sie dem Gutsherrn und seiner Frau und sprach: „Bitte sehr, nun seid ihr zu dritt.“ Die nächste reichte er den Söhnen: „Auch ihr seid nun zu dritt.“ Das dritte Vögelchen überließ er mit ähnlichen Worten den Töchtern. Dann nahm er die beiden Übrigen, eins links, eins rechts und sprach: „Jetzt sind wir auch drei! Das ist gerecht oder etwa nicht?“

Der Gutsherr bog sich vor Lachen. „Das sind wahre Helden: diejenigen, die einen klugen Kopf bewahren und auch in schwierigen Zeiten den Humor nicht verlieren.“ Für so einen klugen Rat bekam der arme Bauer ein Säckchen gefüllt mit goldenen Münzen. Sagt selbst, das war doch gerecht!

(Aus Heitere Märchen aus aller Welt Boje-Verlag Stuttgart)

 

Herzliche Grüße 

Katrin Bamberg

 

Öffentliche Erzähltermine:

Freitag, 08.12.2023 19 Uhr, Kirche Sand - Märchen und Harfe

Samstag, 09.12.2023 16 Uhr, Schauenburg Oberkirch - Winterzauber

Sonntag, 17.12.2023 15 Uhr, Theater der 2 Ufer - Wintermärchen

Donnerstag, 04.12.2024 19 Uhr, Theater der 2 Ufer - Rauhnacht

Freitag, 12.01.2024 19 Uhr,  Kirche Sand - Wunschpunsch

Mittwoch,17.01.2024 20 Uhr, Reithalle Offenburg - Märchen für Erwachsene

Sonntag, 21.01.2024 15 Uhr, Theater der 2 Ufer - Wintermärchen

Neuigkeiten
Es war einmal... Gänseblume...
Dass vierblättrige Kleeblätter Glücksbringer sind und obendrein Schutz bieten vor bösem Zauber, das weiß jedes Kind. Aber dass sie verhelfen, die kleinen Zwerge zu sehe ...
Es war einmal... Gänseblume...

Dass vierblättrige Kleeblätter Glücksbringer sind und obendrein Schutz bieten vor bösem Zauber, das weiß jedes Kind. Aber dass sie verhelfen, die kleinen Zwerge zu sehen, das erzähle ich euch jetzt:

Es gibt unzählige Geschichten über Menschen, denen auf einen Wagen Heu oder Grünfutter sitzend, während der Heimfahrt plötzlich die Augen aufgingen. Sie sahen die Wiesen, Wälder und Felder plötzlich bevölkert mit unzähligen kleinen Leuten; denn unter ihre Wagenladung Gras war ein vierblättriges Kleeblatt geraten.

Vor einiger Zeit lebte auf dem Bauernhof ein Bauer, der hatte eine wunderschöne weiße Kuh. Gänseblume hieß die Kuh, und sie hatte das ganze Jahr hindurch, von einem Kalb zum nächsten, ihr Euter voller Milch. Und diese Milch war die beste und fetteste weit und breit. Doch obwohl Gänseblumes Euter immer prall gefüllt war, gab sie doch nie mehr als fünf Liter Milch am Tag her. Mitten während des Melkens, wenn ihr Euter noch halb voll war, stellte Gänseblume ihre Ohren wie zum Horchen spitz nach vorn, muhte leise und hielt die Milch zurück. Und wer auch immer die Kuh melkte, musste dann unverrichteter Dinge und mit halb vollem Eimer abziehen. Eines Abends spät ging eine Magd, die auf dem Bauernhof aushalf, auf die Wiese, die Kühe zu melken. Sie trug den Milcheimer immer auf dem Kopf. Der Milcheimer aber hatte scharfe Kanten. Das Mädchen rupfte sich nach vollbrachter Arbeit einen Bund Gras ab, legte ihn auf den Kopf und stellte auf dieses Polster den schweren Milcheimer.

Als nun das Mädchen zum Weidezaun kam und beim Schließen des Gatters zurückschaute zur Kuh, da sah sie etwas ganz Merkwürdiges. 

Dämmrig war es inzwischen geworden. Die Stunde zwischen Tag und Nacht, doch gerade noch hell genug, um Gänseblume deutlich zu sehen. Die Kuh stand unbeweglich still auf der Wiese. Um sie herum schwärmten hunderte kleiner Männchen. Sie streichelten und kitzelten die Kuh, kraulten und liebkosten sie, und Gänseblume muhte sanft und zärtlich.

Ein Männlein schien ein wenig größer zu sein als die übrigen und lag auf dem Rücken unter der Kuh. Das Mädchen erkannte sofort, dass das ein Wichtelmännchen war, denn er hatte rotes Haar, das ihm in Büscheln vom Kopfe stand und hatte einen herrlich großen Mund. Er streckte die Beine in die Luft, gerade unter das Euter der Kuh und die anderen kletterten der Reihe nach an seinen Beinen hinauf und melkten sich, auf den Zehenspitzen stehend, Gänseblumes Milch direkt in ihre Münder.

Das Mädchen stand verwundert am Zaun und schaute den Kleinen zu. Als es dann dunkel wurde, lief sie endlich zum Hof zurück.

Die Bäuerin herrschte das Mädchen an: „Wo treibst du dich so lange herum? Ich warte hier schon lange und mittlerweile ist es dunkel!“ Da erzählte das Mädchen mit großen Augen ihr Erlebnis.

„Papperlapapp“, sagte die Frau und „das glaube ich dir nicht!“

Sie nahm dem Mädchen aber das Bündel Gras vom Kopf und zupfte es beim Licht der Stalllaterne auseinander und da, unter Gräsern, Kräutern und Blumen, fand sie ein vierblättriges Kleeblatt. Das überzeugte die Bäuerin zwar, aber sie beließ es nicht dabei, sie lief hinaus in den Wald zu einer weisen Kräuterfrau. Dort holte sie sich Rat. Sie war nämlich eine geizige Hausfrau und wollte die Milch nicht mit den Wichtelmännern teilen. Die Kräuterfrau warnte sie. „Ich weiß wohl ein Mittel, dass das ganze kleine Volk vergrault. Es ist ein Absud aus Salz und Fisch. Diesen Geruch können sie nicht leiden. Ich fände es aber sehr unklug, die Wichtelmännlein zu vertreiben. Sie haben euch Glück gebracht und euer Vieh gedeihen lassen.“

Aber die Bauersfrau kochte trotzdem einen Brei aus Stockfisch, Hering und Salz und rieb Gänseblumes Euter damit ein. Ja, das Mittel wirkte. Das kleine Volk der Wichtelmänner floh vor dem Gestank. Gänseblume gab nun zwar ihre ganze Milch her, aber es war nicht ein Viertel von dem, was sie vorher hatte. Jeden Abend, wenn der Mond aufging, stand Gänseblume auf der Wiese und muhte jämmerlich nach ihren kleinen Freunden. 

Da sieht man, was Gier anrichtet.

Ob die kleinen Leute wohl eines Tages zurückkehren? Ich halte Ausschau nach ihnen und wenn sie mir begegnen, dann schicke ich sie zu Gänseblume. Denn warten ist schwer. Das weißt du ganz sicher.

(Nach einem englischen Märchen, Erzählfassung: Katrin Bamberg)

 

Herzliche Grüße 

Katrin Bamberg

 

Öffentliche Erzähltermine:

Dienstag 07.11.2023 19 Uhr Theater Marotte KA Mit den Augen der Liebe

Freitag 10.11.2023 19 Uhr Kirche Sand Geschichten unterm Kirchendach

Samstag 25.11.2023 16 Uhr Schauenburg Oberkirch Winterzauber

Samstag 02.12.2023 16 Uhr Bad Peterstal Adventsmarkt

Sonntag 03.12.2023 15 Uhr Theater der 2 Ufer Wintermärchen

Samstag 09.12.2023 16 Uhr Schauenburg Oberkirch Winterzauber

Sonntag 17.12.2023 15 Uhr Theater der 2 Ufer Wintermärchen

Mittwoch 17.01.2024 20 Uhr Reithalle Offenburg Märchen für Erwachsene

Neuigkeiten
Es war einmal... An einem schönen Tag...
Der Herbst kommt mit all seiner Pracht und seinen Farben, mit Wind und Regen. Die Menschen ziehen sich zurück und manch einer fühlt sich einsam, ein bisschen verloren. Deshalb habe ich ...
Es war einmal... An einem schönen Tag...

Der Herbst kommt mit all seiner Pracht und seinen Farben, mit Wind und Regen. Die Menschen ziehen sich zurück und manch einer fühlt sich einsam, ein bisschen verloren. Deshalb habe ich heute für dich eine wundersame, kurze Geschichte von jemandem, wo man nicht genau sagen kann, ob er verrückt ist, oder vielleicht doch weise?!

Nasreddin

Es war an einem schönen Tag, mitten in einer Stadt. Natürlich war auf den engen Marktgassen viel los. Die Händler hatten ihre Stände aufgebaut und boten ihre Ware an. Es gab alles: ein Stand mit verschiedensten Gewürzen, bunt und duftend. Es gab herrliche Öle, auch für die Pflege der Haut. Ja, für jeden Körperteil ein anderes. Es gab Tuchhändler. Ihr hättet diese Stoffe berühren müssen! Feinster Damast, zart fließende Seide und diese Farben! Leuchtend und schön. 

Doch plötzlich hörte man es rufen: „Esel, wo bist du? Lauf doch nicht einfach fort! Ich brauche dich! Ich war immer gut zu dir! Wenn du dir einen neuen Herrn suchst, weißt du doch auch nicht, an wen du dann gerätst!“ Unglücklich lief der arme Nasreddin durch die Gassen und suchte seinen verloren gegangenen Esel. Ein Freund trat an seine Seite: „Nasreddin, lass mich dir helfen. Komm, wir suchen ihn gemeinsam.“ So liefen sie zu zweit durch die engen Gassen und riefen ein ums andere Mal den Esel.

Plötzlich aber blieb Nasreddin stehen und rief laut: „Gott sei Dank! Oh, großer Gott, ich danke dir.“ und er hob die Hände zum Himmel. Verwundert blickte sein Freund ihn an. „Du freust dich? Wir haben aber deinen Esel noch gar nicht gefunden! Wie kannst du dich denn jetzt freuen?“ Auf der Stirn des Freundes zeigte sich eine steile Falte.

„Schau“, erklärte Nasreddin „Stell dir vor, ich hätte auf dem Esel gesessen. Dann wäre ich jetzt auch verloren.“

 

Öffentliche Erzähltermine:

Sonntag 01.10.2023 11 Uhr Theater der 2 Ufer Matinee: Der Erde ein Fest

Freitag 13.10.2023 19 Uhr Sander Kirche Geschichten unterm Kirchendach

Sonntag 15.10.2023 12, 14, 16 Uhr Möbel Schau OG Die Suche nach dem Märchenschatz

Freitag 03.11.2023 ab 19 Uhr Brauerei Spitzbuckel Märchen trifft Bier

Dienstag 07.11.2023 19 Uhr Theater Marotte KA Mit den Augen der Liebe

Samstag 25.11.2023 16 Uhr Schauenburg Oberkirch Winterzauber

 

Neuigkeiten
Es war einmal... Wer nicht hören will …
Es war einmal ein junger König, der heiratete eine Frau, die so schön war, dass selbst die Rosen im Schlossgarten vor Neid ganz blass wurden.  Der König wünschte ...
Es war einmal... Wer nicht hören will …

Es war einmal ein junger König, der heiratete eine Frau, die so schön war, dass selbst die Rosen im Schlossgarten vor Neid ganz blass wurden. 

Der König wünschte sich einen Sohn, doch seine Frau schenkte ihm eine Tochter. Der König bebte vor Zorn, schickte Frau und Tochter auf eine ferne Insel und ließ im Land das Gerücht verbreiten, dass die Königin bei der Geburt gestorben sei.

Die Schicksalsgöttinnen zogen empört die Augenbrauen hoch. „Hört er denn nicht seine innere Stimme?“ – „Du meinst, sein schlechtes Gewissen? Es ist ziemlich leise geworden in der letzten Zeit. Im Übrigen sollte es eher DAS GUTE GEWISSEN heißen, weil es nämlich immer die Wahrheit sagt.“, fand die andere Schicksalsgöttin. 

Bald darauf heiratete der König erneut und die zweite Frau brachte ebenfalls eine Tochter zur Welt. Auch sie musste die Reise auf eine ferne Insel antreten. Die dritte, die vierte, die fünfte, die sechste …

Seine innere Stimme verstummte. Die Schicksalsgöttinnen beratschlagten und sorgten für eine Lektion.

Im siebten Jahr geriet er an eine Frau, die es mit Durchtriebenheit und Raffinessen durchaus mit ihm aufnehmen konnte. Als sie nun ein Kind unter ihrem Herzen trug, und ein endlos heißer Sommer die Mauern das Schlosses aufgeheizt hatte, bat sie den König: „Lass mich mit meiner Zofe in die Sommerresidenz reisen. Ein wenig Abkühlung wird mir alles erleichtern.“ So fuhr sie in die Frische der Berge.

Als die Zeit der Geburt nahte, erreichten die Boten des Königs die Residenz und sollten Kunde bringen. Drei Tage und drei Nächte warteten sie vor dem Gemach der Königin. Alsdann hörten sie das Neugeborene weinen und die Zofe jubeln. Mit Tränen in den Augen stand sie vor den Boten: „Sagt dem König, der Himmel ist gnädig mit ihm und hat seinen Wunsch erfüllt. Er hat dem Königreich einen Prinzen geschenkt.“

Der König wusste sich kaum zu fassen und als die Königin mit dem Kind zurückkehrte, empfing er sie feierlich. Das Königspaar zeigte sich auf der Terrasse und der König hielt stolz den Thronfolger hoch. Die Untertanen jubelten und das ganze Land erlebte ein Freudenfest.

Doch schon einige Wochen später wurde auf Befehl des Königs ein Teil der Stadt niedergerissen, um dort einen Palast mit Garten für den Prinzen zu errichten. Die Bewohner der kleinen armseligen Hütten weinten. Doch die Soldaten des Königs peitschten sie aus der Stadt. Schneller als ein Wimpernschlag kann sich das Glück in Unglück verwanden. 

Die Schicksalsgöttinnen, die das Geschehen beobachteten, schüttelten die Köpfe und sahen sich gezwungen einzugreifen. Sie straften den König damit, dass er sein Gehör verlor. Mitten in der Audienz, als der Saal gefüllt war mit hunderten von Kaufleuten und Gelehrten, packte sich der König am Kopf und schrie: „Meine Ohren! Meine Ohren!“ Voller Schmerz taumelte er durch den Thronsaal und fiel ohnmächtig zu Boden. Von diesem Tag an konnte er nichts mehr hören. Doch betrübte ihn das nicht, denn er war von der Freude über seinen Sohn vollkommen erfüllt.

Botschafter mussten alle Nachrichten für den König so lange wiederholen, bis er das Wesentliche von den Lippen abgelesen hatte. So konnte er nach wie vor regieren.

Das Land lebte in Reichtum und Fülle. Die Bauern hatten reiche Ernte, denn der Himmel gab Regen für die Felder und Wärme für die Früchte. Sieben Jahre währte das Glück. Doch folgten darauf drei Jahre der Dürre. Die brachten dem Land Elend und Tränen. Der König jedoch freute sich an seinem Sohn, der mittlerweile heranwuchs und bei Wettkämpfen sein Geschick im Bogenschießen und Reiten bewies. Er schrieb Gedichte und spielte verschiedene Instrumente. Nur vor dem Wasser war er sehr scheu. Wenn die anderen am See spielten und schwimmen gingen, hielt sich der Prinz fern.

Die Dürre im Reich hielt an und die Not wurde groß. Der König gab den Befehl, das Nachbarland zu überfallen, plünderte und brandschatzte. Beutelüstern ließ der König sämtliche seiner Untertanen als Soldaten jahrelang in den Krieg ziehen. Er selbst wurde von seinen Leibwächtern geschützt. In all den Jahren war der Prinz längst zu einem jungen Mann herangewachsen.

Der König feierte zwar Siege über viele andere Länder, doch in seinem eigenen Land herrschte große Unzufriedenheit. Seine Untertanen versammelten sich vorm Schloss. Sie beklagten den Verlust ihrer Söhne und verfluchten den König, wenn er auf die Terrasse trat. Die geballten Fäuste hielt der König allerdings für friedlich winkende Hände und winkte fröhlich zurück. Der König ließ sich eine Schale mit Silbermünzen bringen, nahm eine Handvoll und warf sie über die Brüstung. Doch war er ungeschickt und ein guter Teil der Münzen landete auf der Terrasse. Die Leibwächter bückten sich gierig nach den Münzen und in diesem Augenblick stand der König das erste Mal seit Jahren ungeschützt. Ein Pfeil traf ihn mitten ins Herz und er sank zu Boden.

„Der König ist tot!“, rief der Minister. Die Untertanen jubelten. Nun lag der König da und die Schicksalsgöttinnen gaben ihm zurück, was sie ihm zu Lebzeiten genommen hatten: das Gehör. Er hatte es ja seit vielen Jahren nicht gebraucht, seine Ohren waren fast wie neu. Und da er auch sein Gehirn nicht über alle Maßen abgenutzt hatte, konnte er das Gesagte verstehen.

Der König hörte den Jubel seiner Untertanen und ärgerte sich entsetzlich darüber.

„Da liegt er nun, dieser Idiot!“, hörte der König den Hofnarren. Er wollte ihn eine Ohrfeige geben, doch seine Hand war längst tot. 

Der Hofnarr witzelte und alle Bediensteten lachten schallend, statt zu weinen. Der König wollte ihnen in den Hintern treten, doch seine Beine waren tot.

Plötzlich wurde es still. Der König lauschte voller Neugier. Er hörte Schritte. „Die Königin und der Prinz kommen. Ruhe!“, flüsterte der Hofnarr und unterdrückte sein Lachen.

„Oh, nein!“, schluchzte sie. „Mein geliebter Mann. Wie konnte das passieren?“ Der erste Minister antwortete: „Wir habe ihn immer gewarnt, er solle sich nicht öffentlich zeigen. Aber ihr wisst, dass er nie auf uns hören wollte. Die Leibwächter bückten sich nach den Münzen. Wir hatten dem König immer geraten, er solle die Leibwächter angemessen bezahlen. Doch der König hörte nicht auf uns. Welcher arme Mann hätte nicht nach dem Geld gegriffen? In diesem Moment traf ihn der Pfeil. Hätte meine Hand ihn retten können, ich hätte sie vor seine Brust gehalten.“ Der Minister verneigte sich tief vor der Königin und trat einen Schritt zurück. 

Der König hatte ihn vor seiner Rede noch schallend lachen gehört und hätte nun am liebsten geschrien: „Du Heuchler!“. Doch der Mund des Königs war tot.

Da trat der Prinz heran: „Und ich? Wie oft wollte ich mit dir reden, dir alles offenbaren.“ Der König hörte Liebe in der Stimme und tiefe Trauer. „Ich wollte dir immer die Wahrheit sagen, denn ich bin eine FRAU! Ihr alle habt ihm gehasst und ihn untertänigst gedient. Ich aber habe ihn geliebt! Alles habe ich für ihn gemacht, damit er stolz ist auf mich. Als er mich mit den schönsten Frauen des Landes verheiraten wollte, dachte ich mir eine Lüge nach der anderen aus, um die Frauen abzulehnen. Manchmal wünschte ich mir sogar den Tod, damit er niemals von dieser großen Lebenslüge erfährt. Und jetzt, wo ich es ihm sagen will, kann er mich nicht mehr hören.“

Der König hörte es wohl und empfand einen schrecklichen Schmerz, der ihn bis dahin fremd war. Wie gern hätte er seiner Tochter etwas gesagt, doch sein Mund war längst tot. Der Schmerz war so gewaltig, dass zwei Tränen aus seinen toten Augen entrinnen konnten und über seine Wangen rollten.

Auf den Trümmern falscher Entscheidungen entsteht das Leben zum Glück immer wieder neu. So existiert von diesem Königreich nichts mehr und von dem Schloss findet man bestenfalls noch die Mauerreste. Wir aber wissen, dass es gut ist, genau hinzuhören.

Erzählfassung: Katrin Bamberg

Neuigkeiten
Es war einmal... Das goldene Ei
Ein alter Mann lebte zusammen mit seiner Frau in einem kleinen Häuschen. Mit ihnen lebten eine Henne und ein Kater. Die Henne legte Eier, der Kater fing Mäuse. Henne und Kater mochten ...
Es war einmal... Das goldene Ei

Ein alter Mann lebte zusammen mit seiner Frau in einem kleinen Häuschen. Mit ihnen lebten eine Henne und ein Kater. Die Henne legte Eier, der Kater fing Mäuse. Henne und Kater mochten sich so gern, dass die Henne sogar auf dem Rücken des Katers schlummern durfte. Alle lebten friedlich beieinander.

Eines Tages gackerte die Henne so laut, dass alle herbeigelaufen kamen und schauten: da lag ein prächtiges Ei und es glänzte goldgelb im Sonnenlicht! Was machen wir damit? Kochen oder braten? Als der Mann schon das Feuer machte im Herd, sprang der Kater auf den Tisch, stupste das Ei an, es rollte vom Tisch und zerbrach.

„So ein Unglück!“, riefen der Mann und die Frau. Nur wegen dem nichtsnutzigen Kater. Der Mann nahm eine Rute und verprügelte den Kater, doch die Henne bettelte: „Tut ihm nichts zuleide! Mein Freund ist nicht böse. Er hat nur ein gewöhnliches Ei zerbrochen. Morgen lege ich dafür ein goldenes Ei!“ 

Am nächsten Morgen warteten die beiden Alten schon, und als die Henne gackerte, liefen sie gleich zu ihr. Gütiger Himmel! Tatsächlich lag dort das Ei, aus purem, glänzendem Gold. Der Alte nahm es in die Hand, es war schwer. „Ich trage es zum Markt und werde es verkaufen.“ – „Ja, verlange nur ordentlich viel Geld dafür.“, verlangte die Frau. Der Alte brachte wirklich einen ganzen Beutel Münzen mit. Und am nächsten Tag legte die Henne wieder ein goldenes Ei. Das tat sie von nun an jeden Morgen, immer und immer wieder.

Schnell gewöhnten sich die beiden Alten an den Reichtum, das Häuschen war plötzlich nicht mehr gut genug. Sie brauchten ein Schloss und Diener dazu. Nur das beste Essen und die erlesensten Getränke gab es. Sie kleideten sich in Samt und Seide. Sie schliefen in einem Himmelbett. Jeden Tag kamen Gäste und sie lebten in Saus und Braus. Wenn man aber in einem Schloss wohnt, braucht man einen Hund, der das Schloss bewacht. So schafften sie sich ein Rudel Wachhunde an, mit gefährlichen, scharfen Zähnen.

Das gefiel dem Kater ganz und gar nicht! Er fürchtete sich vor den Hunden und zog auf den Dachboden. Dort jagte er Mäuse, doch kam er nicht mehr in die Zimmer oder in den Hof.

Für die Henne kaufte der Mann einen silbernen Käfig. Sie durfte nicht mehr auf der Wiese spazieren gehen und Würmer suchen, sie durfte nicht in der Erde scharren, sie durfte nicht ihren Freund, den Kater treffen.

Sie bekam feinste Körner und frisches Wasser! Aber das Leben im Käfig war schwer.

Auf einmal legte die Henne – ob aus Kummer oder Sehnsucht – wir wissen es nicht – immer kleinere Eier. Und eines Tages schaute das Mütterchen in den Käfig, da lag gar kein Ei mehr: weder ein goldenes noch ein gewöhnliches.

„Du undankbares Tier!“, schrie die Frau. „Den schönsten Käfig hast du und bist zu faul um Eier zu legen! Koch, he, Koch! Komm und schlachte dieses nutzlose Tier.“

Ach, da gackerte die Henne verzweifelt und rief nach ihrem Freund, dem Kater. Der kam herbeigesprungen, landete auf dem Rücken des Kochs und kratzte mit seinen scharfen Krallen. Der Koch ließ die Henne los. Die Henne flog aus dem Fenster in ein nahes Gebüsch. Dort zupfte sie sich ihr Gefieder zurecht.

Der alte Mann und seine Frau rissen die Augen auf: Diener und Koch waren verschwunden, das Schloss war weg, als sei es nie da gewesen. Sie saßen plötzlich wieder in ihrem Häuschen, der Kater sprang auf die Ofenbank und am Boden lag ein zerbrochenes Ei.

- ENDE -

Anmerkung: In diesem Märchen wird alles wieder auf Anfang gesetzt und zeigt uns, dass wir im Leben manchmal zur Anfangssituation zurückkehren müssen, um neue Strategien zu erproben.

Herzliche Grüße 

Katrin Bamberg

 

Öffentliche Erzähltermine:

Sonntag 20.08.2023 15 Uhr Theater der 2 Ufer Kehl Märchen im Zauberwäldchen

Sonntag 27.08.2023 14-18 Uhr Kloster Erlenbad Tag der offenen Tür

Samstag 16.09.2023 ab 14 Uhr Schauenburg Oberkirch Mittelalterspektakel

Freitag 29.09.2023 19 Uhr Sander Geschichten unterm Kirchendach

Neuigkeiten
Es war einmal... Das besondere Geschenk
Weitab in einem kleinen Dorf lebte eine Mutter mit ihrer Tochter in bescheidenen Verhältnissen. Die Mutter spann Wolle und verdiente gerade so viel, dass es reichte, um einigermaßen s ...
Es war einmal... Das besondere Geschenk

Weitab in einem kleinen Dorf lebte eine Mutter mit ihrer Tochter in bescheidenen Verhältnissen. Die Mutter spann Wolle und verdiente gerade so viel, dass es reichte, um einigermaßen satt zu werden. In dem kleinen Häuschen hatte eines Tages eine golden glänzende Schlange Unterschlupf gesucht und als das Mädchen sie entdeckte, so freundete sie sich mit ihr an. Auch suchte das Mädchen ein Körbchen, darin richtete sie der Schlange ein Bettchen. Als sie die Schlange der Mutter zeigte, begann das Tier zu sprechen: „Bei euch will ich gern bleiben und ich werde für euer Glück sorgen. Gebt mir jeden Tag ein Schälchen Milch, so wird es auch euch an nichts fehlen.“

Die Schlange bekam den Namen „Goldschnur“, sie wuchs und wuchs. Da kam der Tag, an dem sie nicht mehr in das Körbchen passte. Ein alter Nachbar, der sie eines Tages sah, sprach zu dem Mädchen: „Wenn ich du wäre, dann legte ich sie in einen großen Korb, da würde sie besser hineinpassen.“ Goldschnur wohnte nun in einem großen Korb und bekam täglich ihr Schälchen Milch. So verging Jahr um Jahr. „Wo nur das Glück bleibt, welches uns Goldschnur versprochen hat?“, fragte sich die Mutter. „So viele Jahre lebt sie unter unserem Dach, lebt von unserer Milch und ich spinne mir nach wie vor die Finger wund. Wie mag sie das nur gemeint haben.“

Da waren nun sieben Jahre vergangen und eines Morgens schaute das Mädchen in den Korb. Da war Goldschnur verschwunden. Sie eilte vor die Tür und sah, wie Goldschnur hinter einem Stein ins Gebüsch verschwand: „Wo willst du hin? Warum gehst du fort? Haben wir dich schlecht behandelt? Um Himmels Willen, komm zurück. Oh, Goldschnur, komm zurück, sonst sterben mein Mütterchen und ich vor Sorge um dich!“ Das Mädchen rannte hinter der Schlange her, rief und rief. Doch Goldschnur antwortete nicht. Je schneller das Mädchen rannte, desto weiter entfernte sich Goldschnur. Da setzte sich das Mädchen auf einen nahen Felsen und weinte bitterlich. Plötzlich tauchte Goldschnur vor ihren Füßen auf und sagte: „Jetzt sehe ich, dass du mich wirklich liebst. Diesen Beweis für deine Liebe habe ich erhofft und da unsere gemeinsame Zeit nun ein Ende nimmt, sollst du ein wunderbares Geschenk bekommen.“ Da reichte Goldschnur dem Mädchen einen Kamm und sprach: „Wann immer du dich damit kämmst, werden Perlen und Edelsteine aus deinem Haar herabfallen. Schönheit und Reichtum sollen dir beschieden sein und den besten Mann wirst du finden. Ich danke dir für die Zeit, in der ich bei euch sein durfte. Nun ziehe ich wieder in die Berge.“ Da huschte Goldschnur davon. Das Mädchen blickte ihr lange nach, bis sie die Schlange aus den Augen verlor. Da lief das Mädchen nach Hause und erzählte der Mutter alles. Gedankenverloren nahm das Mädchen den Kamm, begann sich zu kämmen, da fielen plötzlich lauter Perlen aus ihrem Haar. Sie fielen auf ihr Kleid, rollten über den Boden. Unzählige Edelsteine rieselten herab und glänzten in aller Pracht. 

Mutter und Tochter sammelten die Perlen und Edelsteine ein, brachten sie zum Goldschmied und bekamen ordentlich viele Goldmünzen. Dafür kauften sie Stoffe und nähten sich schöne Kleider. Das Häuschen ließen sie in Ordnung bringen und kauften ein kleines Stück Land dazu. Da konnten sie Gemüse anbauen und Korn. Dass schon bald ein junger Bursche nach dem hübschen Mädchen Ausschau hielt, das kannst du dir ja denken. Aber wie die zwei zueinander fanden, davon erzähle ich vielleicht beim nächsten Mal.

(nach einem Märchen aus Mallorca, Erzählfassung: Katrin Bamberg)

Herzliche Grüße 

Katrin Bamberg

 

Öffentliche Erzähltermine:

Sonntag 02.07.2023 12.30 Uhr Wagshurst Maiwaldhalle TRET CAR CUP (Grundschule)

Sonntag 15.07.2023 12-14 Uhr Hüfingen Stadtfest

Freitag 21.07.2023 19 Uhr Kirche Sand Wunschpunsch

Freitag 28.07.2023 16 Uhr Mediathek Kehl Leseoase

Sonntag 30.07.2023 15 Uhr Theater der 2 Ufer Kehl Märchen im Zauberwäldchen

Sonntag 15.08.2023 15 Uhr Theater der 2 Ufer Kehl Märchen im Zauberwäldchen

Sonntag 27.08.2023 14-18 Uhr Kloster Erlenbad Tag der offenen Tür

Samstag 16.09.2023 ab 14 Uhr Schauenburg Oberkirch Mittelalterspektakel

Neuigkeiten
Es war einmal... Der Wassermann
In einer Mühle weit hinter den Bergen lebte ein Müller mit seiner einzigen Tochter. Und diese liebte einen stattlichen und tüchtigen Müllerburschen. Der Müller aber woll ...
Es war einmal... Der Wassermann

In einer Mühle weit hinter den Bergen lebte ein Müller mit seiner einzigen Tochter. Und diese liebte einen stattlichen und tüchtigen Müllerburschen. Der Müller aber wollte von dieser Liebe nichts wissen, denn er wollte, dass seine Tochter einen reichen und vornehmen Mann heirate, nicht so einen armen Schlucker wie diesen Müllerburschen!

Ja, der Stadtschreiber, der wäre gut für seine Tochter. Der trug einen edlen Mantel aus Samt mit einem wundervollen Pelzkragen und der Schreiber war obendrein sehr einflussreich.

Aber der dürrbeinige Stadtschreiber war hochnäsig und eitel, von dem eingebildeten Kerl wollte die Müllertochter nicht das Geringste wissen. Sie liebte nun mal den Müllerburschen, auch wenn es ihrem Vater nicht gefiel.

Die beiden jungen Leute waren oft traurig und konnten sich an nichts mehr so recht freuen. Ein Glück nur, dass der Müllerbursche ein geborener Musiker war. Wenn ihm sein Herz so weh tat, dass er es nicht mehr aushielt und er sein Leid klagen musste, nahm er seine Geige und spielte sanfte Lieder. Die schöne Müllertochter öffnete ihr Kammerfenster und hörte bis in die Nacht hinein zu, was der Jüngling ihr zu sagen hatte.

Und meist lauschte noch einer mit – der König der Wassermänner. Die Wassermänner wohnten im Mühlgraben und im Mühlenweiher und sie liebten die Musik. Sobald die ersten Geigentöne erklangen, kletterten sie aus dem Wasser, saßen auf den Seerosenblättern des Teiches und der König machte es sich auf seinem Lieblingsplatz in einer hohlen Weide bequem.

Wie alle Wassermänner hatte auch er grüne Haut und einen breiten Mund. Weil er aber der König aller Wassermänner war, trug er einen roten Umhang und eine kleine Krone auf seinem Kopf. Er war herzensguter Kerl.

Eines Abends strich der Stadtschreiber wieder einmal um die Mühle und hoffte, dieser unnahbaren Müllertochter zu begegnen. Aber statt seiner Angebeteten sah er nur den Müllerburschen, der mit seiner Geige unter dem Fenster saß und eine wehmütige Melodie spielte. Außer sich vor Wut schlich der Schreiber leise an den Burschen heran, packte ihn um die Taille und stieß ihn hinterrücks in den Mühlgraben. Das alles kam so unerwartet, dass sich der Jüngling nicht wehren konnte. Das Wasser im Mühlgraben spritze, im Nu schloss es sich über dem Unglücklichen.

Zum Glück hatte der König der Wassermänner, der gerade in einer Weide saß, alles mit angesehen und rief alle Wassermänner zur Hilfe. Sie sprangen rasch hinterher und zogen den Müllerburschen mitsamt seiner Geige heraus.

„Ach, warum hast du mich gerettet? Hättest du mich doch lieber ertränkt. Wozu soll ich denn leben, wenn ich die Müllertochter nicht zur Frau bekomme?“

Der König aber sagte: „Lass den Kopf nicht hängen. Komm eine Weile zu mir hinab auf den Grund. Dort soll es dir an nichts fehlen. Du kannst mir helfen bei meiner Arbeit und Geige spielen kannst du auch. Ich liebe deine Musik.“

Der König schuf einen Schutzzauber und so kam der Müllerbursche ohne Schaden in die Tiefe hinab. Doch wie erstaunt war er, als er vor einem Palast auf dem Grund des Mühlenteiches stand. Glänzende Muscheln leuchteten, die Wände waren aus schillernden Fischschuppen. Zwei Krebse standen Wache am Tor. Durch Räume glitten dienstbare Fische, die deckten eine lange Tafel mit den wunderbarsten Speisen. Sie liefen gemeinsam in den Thronsaal, dort saß die Königin und neben dem Thron stand eine goldene Wiege. Darin lag das jüngste Kind des Königspaares und spielte verträumt mit einer Muschel. „Wir feiern heute ein großes Willkommensfest für unser Kind. Alle Wassermänner werden heute Nacht ein Konzert geben und du kannst auf der Geige dazu spielen. So feierten sie fröhlich bis zum Morgen. 

 Da bat der König den Müllerburschen, den versumpften Mühlengraben zu reinigen. Das dauerte viele Tage. Dann musste in der Bucht des Teiches das Schilf geschnitten werden, der Müllerbursche half tüchtig mit. Dann wieder pflanzten sie Wasserrosen zur Freude und als Schmuck für die Wassernymphen. Und nach der Arbeit musizierten sie zusammen. Der junge Mann spielte auf der Geige und die Wassermänner sangen im Chor.

Mit der Zeit bekam der Jüngling Heimweh. Er wurde immer trauriger, so dass der Wassermann eines Tages zu ihm sprach: „Es ist Zeit, dass du wieder zurück zu den Menschen gehst. Doch möchte ich dich noch für deine Gesellschaft und deine Hilfe belohnen.“ Und er gab dem Jüngling einen goldenen Ring.

„Wisse, dies ist kein gewöhnlicher Ring“, erklärte der Wassermann. „Wenn du ihn an deinen linken Zeigefinger steckst und ihn dreimal drehst, wird er dir Wünsche erfüllen. Aber merke dir, nur drei Wünsche stehen dir offen. Danach verliert der Ring seine Zauberkraft.“

Der Jüngling bedankte sich bei dem Wassermann und kehrte zurück in die Menschenwelt.

„Es wird Zeit, dass du kommst“, empfing ihn der Müller. „Wo hast du den ganzen Tag gesteckt? Ich suche dich schon seit Stunden. Die Bauern haben uns so viel Getreide angefahren, dass Arbeit für eine ganze Woche da ist.“

Der Jüngling wunderte sich, dass die Zeit so seltsam anders hier oben vergangen war, als bei dem Wassermann. Dort war er doch viele Tage und Nächte gewesen und hier, bei den Menschen war kaum ein einziger Tag vergangen. 

Dann aber hatte er Lust, die Zauberkraft des Ringes gleich einmal auszuprobieren und wünschte sich, dass alles Getreide bis zum Morgen gemahlen wäre. Und das geschah auch. Das Mühlrad stand die ganze Nacht nicht still, und am Morgen wollte der Müller seinen Augen nicht trauen: das ganze Mühlhaus stand voller Säcke mit weißem Mehl. Da dachte der Müller das erste Mal: 'Das ist doch ein tüchtiger Bursche!'

Nun tat der Jüngling gleich den zweiten Wunsch: Der Stadtschreiber sollte seine geliebte Müllertochter in Ruhe lassen! Und auch dieser Wunsch erfüllte sich: Als der aufgeputzte Kerl später am Tag kam, um sich wieder aufzuplustern, rutschte er auf den Getreidekörnern aus und fiel kopfüber in den Mehlkasten. Weiß wie ein Schneemann kam er wieder zum Vorschein und suchte blamiert das Weite. Doch draußen trat er auf eine Kröte, rutschte aus und fiel in eine Pfütze. Da eilte ein Krebs herbei und biss ihn in den großen Zeh. Der Schreiber kreischte vor Schreck und Schmerz. Mühsam kletterte er aus dem Wasser und rannte wie von bösen Geistern gejagt davon. In der Mühle ließ er sich nie wieder sehen.

Der Müllerbursche aber drehte zum dritten Mal seinen Zauberring. Und auch dieser Wunsch ging in Erfüllung: Die Hochzeit mit der Müllertochter wurde ein großes Fest und alle feierten mit.

Die Freundschaft mit den Wassermännern dauerte fort. So manchen Abend kamen sie noch zusammen und musizierten. Und alle waren dabei glücklich.

Mit diesem erfrischenden kroatischen Märchen wünsche ich dir einen guten Start in die Sommerzeit. Herzliche Grüße 

Katrin Bamberg

 

Öffentliche Erzähltermine:

Sonntag 18.06.2023 15 Uhr Theater der 2 Ufer Kehl Märchen im Zauberwäldchen

Freitag 23.06.2023 19 Uhr Kirche Sand Wunschpunsch

Sonntag 02.07.2023 12.30 Uhr Wagshurst Maiwaldhalle TRET CAR CUP (Grundschule)

Sonntag 15.07.2023 12-14 Uhr Hüfingen Stadtfest

Freitag 21.07.2023 19 Uhr Kirche Sand Wunschpunsch

Freitag 28.07.2023 16 Uhr Mediathek Kehl Leseoase

Sonntag 30.07.2023 15 Uhr Theater der 2 Ufer Kehl Märchen im Zauberwäldchen

Märchen
Es war einmal... Der leuchtende Stein
(Nach einem chinesischen Märchen, Erzählfassung: Katrin Bamberg) Einst lebte ein junger Bauer in einem Dorf inmitten von Bergen und Hügeln. Er bewirtschaftete seinen Hof un ...
Es war einmal... Der leuchtende Stein

(Nach einem chinesischen Märchen, Erzählfassung: Katrin Bamberg)

Einst lebte ein junger Bauer in einem Dorf inmitten von Bergen und Hügeln. Er bewirtschaftete seinen Hof und plagte sich tagein, tagaus. Auch hatte er einen kleinen, steinigen Acker und einen Esel. Den Esel mochte er gern, denn er trug die schweren Säcke. Manchmal trug er sogar den jungen Bauern selbst auf seinem Rücken. Aber schwer war die Zeit doch und der Bauer wünschte sich von ganzem Herzen eine Frau und Kinder. Da wäre Leben auf dem Hof und er wäre nicht so allein. 

Sein Nachbar war auch allein, aber so reich, er hätte sich jede Frau nehmen können. Doch hatte er an jeder etwas auszusetzen. Allesamt waren ihm nicht wohlhabend genug. „Wer reich ist, muss noch reicher heiraten.“, sprach er. „Denn das Geld muss zum Geld!“ Obgleich die beiden Nachbarn recht unterschiedlichen waren, grüßten sie sich freundlich.

Am östlichen Fluss lebte der König des Landes. Er hatte eine Tochter, die war so schön, wie die Sonne. Als sie erwachsen ward, sprach der König: „Es wird Zeit, dass du heiratest.“ Und er schlug ihr zahllose Adlige und wohlhabende Männer vor. Doch die Prinzessin schüttelte bei jedem den Kopf: „Nein, den will ich nicht!“ Der König rief voller Zorn: „Was willst du denn für einen?“ – „Ich möchte keinen von diesen Prinzen, keinen Grafen und keinen reichen Edelmann. Ich will einen einfachen Mann, der ehrlich und mutig ist.“ Im Traum hatte sie ihn längst gesehen: es war ein junger, fleißiger Bauernbursche. Er war gut zu den Tieren, er verzagte nicht, auch wenn es schwierig wurde. Den wollte sie haben.“ – „Ein Bauernbursche!“, schrie der König. „Das kommt nicht infrage! Niemals!“ Da fing die Prinzessin an zu weinen. Sie weinte Tag und Nacht. All ihre Tränen ließen die Bäche und Flüsse anschwellen und im Meer war so viel Wasser, wie nie zuvor. „Was sollen wir tun?“, fragte der König ganz verzweifelt seine Berater. „Das Land wird versinken. Die ersten Dörfer sind bereits überschwemmt.“ Die Berater schüttelten ratlos die Köpfe und blieben stumm. 

In dieser Nacht schickte die Prinzessin dem jungen Bauernburschen einen Traum und als der Bursche am Morgen die Augen aufschlug, war ihm noch ganz warm ums Herz. Er wusste allerdings nicht, was er mit diesem Traum anfangen sollte. „Ich will meinen Nachbarn fragen, vielleicht kennt er sich mit solchen Dingen besser aus.“

Als sich die beiden am nächsten Tag trafen, erzählte der Arme dem Reichen, was er nachts geträumt hatte. „Mir ist heute Nacht im Traum eine junge schöne Prinzessin erschienen. Sie hatte ein so hübsches Gesicht, einen anmutigen Gang und eine Stimme wie ein rauschendes Bächlein. Sie sprach mich an und wollte mich zum Manne. Doch müsse ich ihr einen besonderen Stein mitbringen: den Stein der Weisheit, der im Dunkeln leuchtet.“ – „Meinst du, sie ist ein solch großes Abenteuer wert?“ – „Das ist sie gewiss, denn sie ist die schönste Frau, die ich jemals gesehen habe.“ – „Aber wo kannst du sie finden?“ – „Sie lebt im goldenen Schloss am östlichen Fluss.“ 

Der Reiche war gierig und überlegte, wie er es anstellen könne, dass er die reiche Prinzessin zur Frau bekäme. 

So sprach er zum Armen: „Weißt du was, ich werde dir helfen. Kümmere du dich ruhig um dein Feld und deinen Esel. Ich werde mit meinem schnellen Pferd los eilen und den Stein zur Prinzessin bringen.“ – „Das würdest du FÜR MICH tun, mein Freund?“ – „Selbstverständlich! Denn keiner hat das Glück mehr verdient als du.“, lachte der Reiche, schwang sich auf sein Pferd und galoppierte davon. 

Der Arme stach solang noch einen Korb voll Disteln aus, die waren ein guter Reiseproviant für seinen Esel. Dann machte auch er sich auf den Weg. Er kam nur langsam voran und als es Abend wurde, gelangte er in ein Dorf, dort waren die Felder und Wiesen überschwemmt. „Was ist hier geschehen?“, fragte der Arme. „Ein schreckliches Hochwasser kam und seither sind unsere Felder überschwemmt, die Ernte wird verderben.“ – „Wer oder was kann euch helfen?“ – „Man erzählt sich von einem goldenen Krug. Der könne das viele Wasser abschöpfen. Aber dieser befindet sich auf einem Berg in einem finsteren Felsenturm und wird von einem Drachen bewacht.“ – „Ich werde mein Bestes tun und wenn es gelingt, werde ich euch den goldenen Krug mitbringen.“ Er ritt weiter auf seinem Esel immer Richtung Schloss. Als er das Schloss endlich erreichte, kam ihm tatsächlich der Nachbar schon am Schlosstor entgegen. „Ich weiß jetzt, wo wir den leuchtenden Stein der Weisheit finden. Die Prinzessin war so freundlich und hat es mir verraten. Siehst du da in der Ferne den Berg.“ – „Ja, den sehe ich!“ 

„Siehst du auch den finsteren Felsenturm? Dort nämlich haust ein gefährlicher Drache und bewacht einen Schatz. Zu diesem Schatz gehört auch der Stein der Weisheit, der Vollkommenheit und der Güte. Dieser leuchtet im Dunkeln.“ So brachen sie auf und ritten gemeinsam immer Richtung Felsenturm. Der Wald wurde dichter, man hörte den Drachen fauchen und schnaufen. Heiße Flammen loderten aus dem Turm hinauf. Furchtlos klopften sie ans Tor. „Ich weiß, weshalb ihr gekommen seid. Kommt nur herein und folgt mir.“ Mit stampfenden Schritten lief der Drache voraus und öffnete die schwere Tür zur Schatzkammer. „Hört! Ihr müsst das Gesetz der Drachen befolgen. Es heißt, dass jeder Sterbliche nur einen einzigen Gegenstand forttragen darf.“ Die beiden Nachbarn traten ein und staunten. Eine solche Pracht hatten sie noch nie gesehen. Es glitzerte und funkelte und mitten in all diesen Schätzen lag ein Stein, der im Dunkeln leuchtete. Der Arme dachte an die schöne Prinzessin und sein Herz krampfte sich zusammen. Nein, er konnte den Stein nicht nehmen. Im überschwemmten Dorf warteten doch die Dorfbewohner auf seine Hilfe. Der Arme trat vor und griff nach dem goldenen Krug, der daneben stand: „Gestatte mir, dass ich den goldenen Krug nehme, mächtiger Beschützer des Drachenschatzes.“ Gleichzeitig stürzte der Reiche auf den Stein zu und ergriff ihn. „Behaltet eure Schätze. Vielleicht bringen Sie euch Glück.“, raunte der Drache und als sein riesiges Maul sich zu einem sonderbaren Lächeln verzog, konnte man die scharfen Zähne blitzen sehen.

Auf dem Weg zum Schloss, gelangten sie wieder durch das Dorf und der Arme überreichte dem Dorfältesten den goldenen Krug. Der begann zu schöpfen und das Wasser ging zurück. Die Felder wurden instantgesetzt und die Dörfler jubelten: „Wie können wir dir danken?“, fragte der Dorfälteste mit Tränen in den Augen. „Wir besitzen nichts mehr. Das Wasser hat fast alles zerstört.“ Da trat ein kleines Mädchen herbei und hielt etwas in der Hand. Im Schlamm hatte es einen Stein gefunden, der war so groß wie ihre Faust. „Wir haben nichts, was wir dir geben können, aber nimm als Andenken diesen Stein von uns.“ Mit dem schlammigen Stein in der Hand stieg der Arme auf seinen Esel und ritt voller Sorge neben seinem Nachbarn her, der hoch zu Ross den Stein aus der Schatzkammer des Drachen hielt und unbekümmert lächelte. 

Der Arme aber schaute den hässlichen Stein an und murmelte: „Was werde ich mit solch einem Stein anfangen können?“, und dennoch erwärmte es ihm das Herz, dass er das Dorf hatte retten können. So gelangten sie am Abend zum Schloss und der Reiche streckte der Prinzessin seinen Stein entgegen. Doch was sah man da? Glaubt es, oder glaubt es nicht: der schöne Stein aus der Schatzkammer des Drachen leuchtete kein bisschen. Als die Prinzessin ihn berührte zerfiel er zu Staub.

Nun trat sie dem Armen entgegen: „Und was hältst du hinter deinem Rücken verborgen?“  Er schämte sich sehr und antwortete: „Da ist nichts.“ Neugierig schaute die Prinzessin nach dem schlammverschmierten Stein: „Woher hast du ihn?“ – „Ach, das ist nur ein ganz gewöhnlicher Stein, ich habe ihn unterwegs geschenkt bekommen.“ Doch legte er ihr den Stein in die Hand. Da begann der Stein plötzlich zu leuchten und zu strahlen. Der Glanz erhellte das Schloss und als der erstaunte König samt seinem Hofstaat in den Saal trat, rief die Prinzessin voller Freude: „Das ist der richtige Mann für mich!“ Der Bursche reichte der Prinzessin sein Taschentuch und trocknete ihr die Tränen. Von da an hatten die Überschwemmungen ein Ende. Es wurde Hochzeit gehalten, und das junge Königspaar regierte voller Güte und mit großer Weisheit das Land. Der einfache Stein aber liegt in der Schatzkammer des goldenen Schlosses. Wer hätte gedacht, welche Bedeutung ein solch einfacher Stein haben kann.

 

Öffentliche Erzähltermine:

Freitag 12.05.2023 19 Uhr Kirche Sand Wunschpunsch

Sonntag 21.05.2023 15 Uhr Theater der 2 Ufer Kehl Märchen im Zauberwäldchen

Sonntag 18.06.2023 15 Uhr Theater der 2 Ufer Kehl Märchen im Zauberwäldchen

Freitag 23.06.2023 19 Uhr Kirche Sand Wunschpunsch

Neuigkeiten
Es war einmal... Bärenstarke Liebe
(nach einem Märchen aus Graubünden) Tief im Wald lebte ein armer Holzfäller mit seiner Frau. Er sammelte Holz und sie sammelte Beeren und Pilze. Einmal murmelte sie so vor si ...
Es war einmal... Bärenstarke Liebe

(nach einem Märchen aus Graubünden)

Tief im Wald lebte ein armer Holzfäller mit seiner Frau. Er sammelte Holz und sie sammelte Beeren und Pilze. Einmal murmelte sie so vor sich hin: 

„Ach, wir hätten doch so gern Kind. Und wäre es auch noch so klein! Ja, selbst wenn es ein Bär wäre, so hätten wir es doch lieb.“ Als sie aufblickte stand eine alte Frau vor ihr, schaute ihr tief in die Augen und sprach: „Soso, dann will ich dir gern helfen.“ Sie reichte ihr ein grünes Fläschchen, die Frau trank das wohlschmeckende Getränk bis zum letzten Tropfen und gab der Alten die leere Flasche zurück. Im selben Augenblick war die Alte verschwunden, als sei sie nie dagewesen. 

Nicht ganz ein Jahr später brachte die Frau einen Knaben zur Welt, der hatte ein flauschiges Fell, brummte gemütlich vor sich hin, bekam Bärenkräfte, wurde groß und stark und sprach kein menschliches Wort: kurzum es war ein Bär – gutmütig, freundlich und liebenswert. Er half dem Vater beim Holz sammeln, er riss sogar Bäume aus. Später wurde dann das Holz auf dem Markt verkauft und der Bär trug das Holz den Leuten sogar nach Hause. Sie lieferten auch Holz auf das Königsschloss und eines Tages erblickte die Prinzessin den Bären. Schnell lief sie zum König und rief: „Vater, den Bären musst du für mich kaufen, den will ich unbedingt.“ Doch der Holzfäller und der Bär schüttelten die Köpfe. „Können wir ihn vielleicht ausleihen?“ Der Bär nickte. So ließ der Holzfäller seinen Sohn im Schloss und bekam dafür drei starke Männer, die ihm zur Hand gingen. Die Prinzessin war voller Freude, nahm den Bären mit in ihre Kammer, kraulte und zerzauste sein Fell und freundete sich mit ihm an. Am Abend wurde am Fußende des Himmelbettes ein Lager für den Bären eingerichtet. Dort schlief er in der ersten Nacht. Am folgenden Tag spielte sie mit dem Bären im ganzen Schloss, tollte mit ihm durch den Schlossgarten und sie verlangte, dass der Bär sich in der zweiten Nacht neben sie legte. Sie kuschelte sich an ihn und kraulte sein Fell. So schliefen sie beide ein. Doch mitten in der Nacht, erwachte die Prinzessin, da lag sie nicht in den Armen des Bären, sondern neben ihr lag ein junger, schöner Mann. „Wer bist du?“ – „Pst. Jetzt bin ich in meiner wahren Gestalt, doch das muss unser Geheimnis bleiben. Sonst muss ich fort von hier und werde nie ein Mensch sein.“

Die schöne Prinzessin mochte den jungen Mann noch viel lieber als den Bären. Sie lagen beieinander und flüsterten, bald umarmten sie sich vorsichtig. Doch Nacht für Nacht wurden sie vertrauter, sie kicherten und erzählten, sie erzählten und kicherten. Da lief des Nachts die Königin an der Kammer vorüber und hörte die Stimmen. Schnell öffnete sie die Tür und erschrak über das, was sie dort sah: „Kind, was tust du hier?“ – „Und was tust du hier, Mutter? Man öffnet doch nicht die Tür ohne anzuklopfen.“ – „Man liegt auch nicht einfach mit einem fremden Mann im Bett!“

Der Bär schlich mit gesenktem Kopf und dem Fell unter dem Arm aus der Kammer und verschwand. Als die Prinzessin begriff, dass er fort war, weinte sie bitterlich. Doch musste sie ihn suchen, darin bestand kein Zweifel. Ohne ihn konnte und wollte sie nicht leben und machte sich auf den Weg. Sie zählte nicht die Flüsse, die sie überquerte und auch nicht die Wälder, die sie durchschritt. Doch fand sie eine kleine Hütte, in der ein alter Einsiedler lebte und der wusste Rat: Du musst den Drachen fragen, der in jeder Vollmondnacht hier auf diese Waldlichtung kommt. Er weiß alles und kennt jedes Geheimnis. Bleibe bei mir, bis der Mond sich rundet. Wir wollen alles vorbereiten. Schon am nächsten Tag zeigte er ihr die Waldlichtung, er schrieb Worte auf ein Stück Rinde und gab es ihr. „Wenn der Drache erscheint, dann wirf ihm die Rinde hin. Bleibt er wütend und speit Feuer, so laufe weg so schnell du kannst. Schaut er aber freundlich, so streichle ihn sanft und stelle deine Frage.“

Da kam schon bald die Nacht, in der der volle Mond hell am Himmel stand. In seinem Licht stand der Drache groß und mächtig, spie Feuer und Rauch. Die Prinzessin trat nah heran und legte das Stück Rinde vor dem Drachen ab. Feuer und Rauch vergingen, der Drache schnupperte und besah sich das Rindenstück. Er schaute sie an und sein riesiges Maul begann zu lächeln. „Warum bist du gekommen?“ – „Ich suche meinen Bärenmann und hoffe, du kannst mir helfen, ihn zu finden.“ – „Das kann ich wohl. Du musst dort auf den Berge steigen und zur Felsenhöhle der Zauberin gehen. Tief in der Höhle hält sie deinen Bärenmann gefangen. Du musst es irgendwie schaffen, dass der Bär warmes Wasser zu trinken bekommt, dann kann er sich befreien. Wenn du bei ihr ankommst, bitte sie um Arbeit. Du wirst Schafe hüten müssen. Doch sobald du mit den Schafen auf der Wiese bist, werden sie davonlaufen. Sind sie weit genug entfernt, werden sie zu Hasen und rennen in alle Richtungen davon. Wenn du am Abend die Schafherde nicht abgeben kannst und auch nur ein Tier fehlt, dann wird es dir schlecht ergehen. Aber ich kann dir helfen: greife unter meine Zunge.“ Der Drache öffnete sein gewaltiges Maul. Die Prinzessin trat mutig an ihn heran und griff unter die Zunge. Dort holte sie etwas heraus - ein Instrument. Der Drache erklärte ihr: spielst du den hellen Ton, so verwandelst du Hasen in Schafe, spielst du den mittleren Ton, kommen alle Schafe zu dir. Bist du aber einmal in großer Not, dann spiele den tiefen Ton, ich werde dir zu kommen.“ Sie bedankte sich und lief mutig bergauf bis zur Felsenhöhle. Die Alte empfing sie: „Ah, ich habe dich schon kommen sehen. Willst du in meinen Dienst treten? Du kannst meine Schafe hüten. Aber bringe am Abend alle Schafe zurück.“ Das Mädchen führte die Schafe auf eine Weide, doch einen Augenblick später verwandelten sie sich in Hasen und rannten davon. Die Prinzessin blieb ganz ruhig und als sie am Abend die Herde zurückbringen wollte, spielte sie den hellen Ton, da wurden die Hasen zu Schafen. Beim Klang des Mittleren Tons, kamen sie zu ihr gelaufen und so brachte sie die Herde zur alten Frau. Diese zählte ihre Tiere und merkte, dass keins fehlte: „Ah, eine Hirtin, die ich ihre Arbeit gut macht!“ Die Alte gab dem Mädchen Essen und ein Nachtlager.

Am Morgen, noch bevor die Alte auf den Beinen war, kochte das Mädchen eine Morgensuppe und es roch so fein. Der Duft weckte die Alte und die freute sich. Das hatte sie noch nie erlebt. Nach dem Frühstück nahm die alte Zauberin eine Schüssel mit kaltem Wasser und stieg in den Keller hinab. Nach einiger Zeit kam sie wieder herauf. Die Prinzessin beobachtete alles, sagte aber kein Wort. Sie hütete tagsüber die Schafe und brachte sie am Abend zurück. So ging das Tag für Tag. Die Alte war zufrieden: jeden Morgen eine warme Suppe, die Schafe zählte sie gar nicht mehr. Nach einiger Zeit sprach die Prinzessin: „Großmütterchen, kann ich dir vielleicht noch eine Arbeit abnehmen? Du plagst dich immer mit der Schüssel voll Wasser und die Treppe ist so steil. Kann ich das für dich machen?“ – „Ach, da unten sitzt ein wildes Tier, es ist gefährlich. Es ist ein großer Bär.“ – „Ich werde vorsichtig sein.“, versprach die Prinzessin. So durfte sie am nächsten Morgen das kalte Wasser zum Bären bringen. Da sah sie am Felsgestein angekettet ihren Bärenmann. Als er sie erkannte, wollte er laut brüllen! Doch sie legte ihren Finger auf den Mund und machte: „Pst!“ Jeden Tag durfte sie fortan den Bären versorgen.

Am Morgen des dritten Tages kochte sie als erstes einen Topf Wasser, trug ihn heimlich in den Keller und dann kochte sie erst die Morgensuppe. Nach dem Frühstück brachte sie die Schüssel mit dem kalten Wasser in den Keller und gab von dem heißen Wasser aus dem Topf dazu. Das schob sie dem Bären hin und kaum hatte er davon getrunken, da erwachten gewaltige Kräfte in ihm. Er riss die Ketten entzwei und die beiden wollten sich schon in die Arme fallen. Da hörten sie Schritte oben auf der Treppe, die Alte kam und hielt ihren Zauberstab in der Hand. Der Bär verkroch sich ängstlich hinter der Prinzessin. Da war ihre Not so groß, dass die Prinzessin den tiefen Ton anschlug und sogleich hörte man ein Rauschen in der Luft. Der Drache landete vor der Höhle, steckte den Kopf herein und bekam die Zauberin am Rock zu fassen. Die Prinzessin entwand der Alten ihren Zauberstab und zerbrach ihn. Oh je, wie die Alte schrie und kreischte! Doch der Drache zog und zog. Er zog sie aus der Höhle, flog mit der zappelnden Zauberin im Maul immer Richtung Sonne, bis er zum weiten Meer kam. Dort ließ er sie er sie in die Tiefe fallen und die Wellen verschlangen die Zauberin. Genau in diesem Augenblick geschah etwas in der Zauberhöhle: Der Bär und die Prinzessin umarmten sich vor Freude, da fiel auf einmal das Bärenfell von ihm ab und vor ihr stand strahlend schön ihr bärenstarker Mann. Der hob sie hoch und sie drehten sich freudig im Kreis.

Der Drache kam zur Felsenhöhle zurück und nickte dem Paar freundlich zu: „Steigt auf meinen Rücken, ich bringe euch zurück ins Schloss.“ Sie überquerten die Ebene. Was sahen sie? Dort, wo die Schafherde immer gewesen war, tummelten sich Menschen, große und kleine, alte und junge. Auch sie mussten nicht mehr dem Willen der bösen Zauberin folgen. Sie waren frei, freuten sich und liefen nach Hause.

Der Drache landete im Schlosshof. Der ganze Hofstaat lief freudig herbei. Kaum war der bärenstarke Mann mit seiner Prinzessin vom Rücken des Drachens herabgestiegen, begann der Drache zu schrumpfen. Er wurde kleiner und kleiner. War bald nur noch so groß, wie ein Hündchen und schaute aus seinen lieben Augen die beiden an. Nur mit dem Bellen klappte es nicht. Es war mehr ein Fauchen. Da staunte der ganze Hofstaat und alle lachten herzlich. Ein Hochzeitsfest wurde gefeiert. Die Eltern des bärenstarken Burschen kamen auch zum Fest. Es wurde gegessen, getrunken, getanzt und gelacht. Sie lebten fortan glücklich bis an ihr Ende. Und wenn sie nicht …

Herzliche Grüße 

Katrin Bamberg

 

Öffentliche Erzähltermine:

Freitag 10.03.2023 19 Uhr Kirche Sand Wunschpunsch

Montag 20.03.2023 19 Uhr Theater Karlsruhe Märchenabend

Samstag 01.04.2023 15 Uhr Obersasbach Märchen auf dem Festgelände

Sonntag 02.04.2023 15 Uhr Mösbach Kirschblütenzauber

Freitag 28.04.2023 19 Uhr Kirche Sand Wunschpunsch

Sonntag 30.04.2023 18 Uhr Theater der 2 Ufer Kehl Walpurgisnacht

Neuigkeit
Es war einmal... eine wichtige Frage
Am Ende des Dorfes lebte in einem kleinen Häuschen die Märchenerzählerin. Sie war eine alte, kluge Frau. Eines Tages besuchte sie ein Jüngling und er klagte ihr sein L ...
Es war einmal... eine wichtige Frage

Am Ende des Dorfes lebte in einem kleinen Häuschen die Märchenerzählerin. Sie war eine alte, kluge Frau.

Eines Tages besuchte sie ein Jüngling und er klagte ihr sein Leid.

»Ich lese so viel.«, sagte er. »Ich studiere in den Büchern, lese Märchen und Geschichten, vertiefe mich in die Schönheit all der Worte. Ich möchte sie behalten und als einen Widerschein der ewigen Wahrheit in mir bewahren. Aber es gelingt mir nicht. Ich vergesse viel! Sag, ist das Lesen und Studieren etwa umsonst?«

Die Alte hörte ihm gut zu. Als der junge Mann fertig war mit dem Sprechen, gab er ihm einen Binsenkorb. »Hol mir aus dem Brunnen dort drüben Wasser.«, sagte sie zu dem Jüngling.

»Hat sie meine Frage nicht verstanden?«, fragte sich der junge Mann.

Widerwillig nahm er den vom Staub verschmutzten Korb auf und schöpfte Wasser, das längst herausgelaufen war, als er zurückkehrte.

»Geh noch einmal«, sagte die Alte.

Der junge Mann gehorchte. Immer wieder füllte er Wasser in den Korb, immer wieder rann es zu Boden. Nach dem zehnten Mal konnte er aufhören.

»Sieh den Korb nun an«, sagte die alte Märchenfrau. »Der Korb ist ganz blank geworden. So geht es dir mit den Worten, die du liest und in deinem Herzen bewegst. Du kannst sie nicht festhalten, sie gehen durch dich hindurch, und du hältst die Mühe für vergeblich. Aber, ohne dass du es merkst, klären sich deine Gedanken und machen dein Herz rein.«

Herzliche Grüße 

Katrin Bamberg

 

Öffentliche Erzähltermine:

Freitag 28.04.2023 19 Uhr Kirche Sand Wunschpunsch

Sonntag 30.04.2023 18 Uhr Theater der 2 Ufer Kehl Walpurgisnacht

Märchen
Es war einmal ... Wassilis Frau
Wassili hatte eine Frau, na, ihr wisst schon, was für eine: Immer gab sie Widerworte.  Wollte er die Wiese mähen, um Grünfutter zu machen, sprach sie: "Nein, erst ...
Es war einmal ... Wassilis Frau

Wassili hatte eine Frau, na, ihr wisst schon, was für eine: Immer gab sie Widerworte. 

Wollte er die Wiese mähen, um Grünfutter zu machen, sprach sie: "Nein, erst wird Holz gehackt!" 

Wollte er Gerste säen, weil er an sein Bierchen dachte, rief sie: "Nein, zuerst säst du Hafer!"

Einmal im Frühling - am seidenblauen Himmel segelten die kleinen weißen Wölkchen dahin, auf allen knospenden Zweigen zwitscherten die Vögel aus voller Kehle, und es roch nach aufgepflügter Erde – da waren die beiden zusammen unterwegs und kamen an ein Flüsschen. Das Schmelzwasser im Frühjahr hatte die Brücke davongerissen, nur ein langer Balken lag darüber. 

"Na warte, das gibt was.", murmelte Wassili. "Ich gehe zuerst!", bestimmte er. "Nein, ich!", rief sie, und schon war sie auf dem Balken. Als sie in der Mitte war, sagte er: "Schätzchen, vorsichtig, nicht wackeln, sonst fällst du noch hinein!" -  "Nun wackle ich gerade!", schrie sie und stampfte mit dem Fuß auf. Der Balken kippte, plumps, lag sie im Wasser, ging unter und kam nicht wieder zum Vorschein. Wassili seufzte. Er hatte schon so viel mit ihr erlebt, was sollte er ohne sie anfangen? Er brach sich einen Stecken aus dem Ufergebüsch, watete ins Wasser und begann zu suchen. 

Ein ganzes Weilchen hat er so gestochert, da kamen zwei Bauern am Ufer entlang, sahen sich das ein Weilchen mit an, dann riefen sie: "He, Alterchen, was machst du da, fischst du?" -  "Freilich fische ich", sagte Wassili, "nach meiner Frau fische ich, die ist bei der alten Brücke ins Wasser gefallen!" - "Oh, du Dummkopf!", riefen die beiden, "da musst du unterhalb der Brücke suchen; sie wird schon weit fortgetrieben sein, schnell, schnell!" -  "Ach", entgegnete Wassili, und wiegte lächelnd den Kopf, "ihr kennt mein Frauchen nicht, sie wird auch diesmal gegen den Strom geschwommen sein!"

Und richtig! Er hat sie noch gefunden! Sie spuckte das bisschen Wasser aus, das sie geschluckt hatte, war gesünder und schöner als je zuvor und hatte sogar noch einen prächtigen Fisch gefangen. Sie nahmen sich in die Arme, herzten und küssten sich, und setzten gemeinsam ihren Weg fort."

Daran erkennt man, dass eine Frau sich alles leisten kann, wenn sie nur einen Mann hat, der sie von Herzen liebt und der weiß, dass Frauen ab und zu gegen den Strom schwimmen.

Herzliche Grüße 

Katrin Bamberg

 

Die Erzähltermine im Februar 2023:

Sonntag 05.02.23 15 Uhr Theater der 2 Ufer Kehl Sonntagsmärchen

Freitag 10.02.23 19 Uhr Kirche Sand Wunschpunsch

Freitag 10.03.2023 19 Uhr Kirche Sand Wunschpunsch

Montag 20.03.2023 19 Uhr Theater Karlsruhe Märchenabend

Sonntag 02.04.2023 15 Uhr Mösbach Kirschblütenzauber

Freitag 28.04.2023 19 Uhr Kirche Sand Wunschpunsch

Sonntag 30.04.2023 18 Uhr Theater der 2 Ufer Kehl Walpurgisnacht

Neuigkeiten
Es war einmal ...
Raunächte So bezeichnen wir die Zeit zwischen Weihnachten und den 6.Januar – dem Tag der Heiligen Drei Könige. Der dunkelste Tag, die Wintersonnenwende liegt bereits hin ...
Es war einmal ...

Raunächte

So bezeichnen wir die Zeit zwischen Weihnachten und den 6.Januar – dem Tag der Heiligen Drei Könige. Der dunkelste Tag, die Wintersonnenwende liegt bereits hinter uns und nun kehrt das neugeborene Licht zurück. Langsam und ganz zart wachsend darf es im Schoß der Erde schlummern, während die kälteste und härteste Zeit des Winters noch vor uns liegt.

In alten Zeiten wussten die Menschen, was zu tun war. Sie ahnten, dass es an der Zeit war, sich zu bedanken und um Segen für das neue Jahr zu bitten.

Eine dieser alten Frauen wohnte am Ende des Dorfes in einem schlichten Häuschen mit einem kleinen Garten und üppigen Kräuterbeeten. Diese alte Frau hörte gut zu, was der Wind sprach und was die Bäume flüsterten. Sie erinnerte sich an die alten Bräuche, hatte die Stube blitzeblank geputzt, alles weggeräumt, was nach Arbeit aussah. Sogar das Spinnrad stand in der Ecke und alles war hübsch weihnachtlich gemacht.

Als nun die Raunächte begannen, ging sie zu ihrem Mehltopf, fasste hinein, lief hinter das Haus und warf mit Schwung diese Handvoll Mehl in die Luft. Der Wind nahm das Mehl und trug es davon: 

„Wind! Nimm dir das Deine und lass du mir das Meine!“, rief sie. 

Dann ging sie hinein in die warme Stube, schnitt ein Stück Brot ab und öffnete die Ofentür. Sie legte das Brotstückchen in die Glut des Herdfeuers, das Feuer flammte auf und züngelte. Da sprach sie:

„Feuer! Lass es dir gut schmecken und tue uns nicht das Haus anstecken!“

Wieder lief sie hinaus, in der Hand eine Prise Salz. Gerade so viel, dass es in der Handfläche eine winzige Mulde füllte. Sie trat an den Brunnen, ließ das Salz in den Brunnen rieseln und sprach: 

„Wasser! Nimm diese Speise hier von mir, gib kühles Wasser für Mensch und Tier.“

Draußen ging sie zum großen Nussbaum, stellte ein Laternchen auf und stellte eine Schüssel mit süßem Milchbrei dazu. 

„Geister der Natur! Schützt Feld, Wald und Flur.“ 

Auf die Kräuterbeete und Gemüsebeete streute sie Samen und Körner und bedachte sie mit guten Worten: 

„Erde! Nimm die Samen und die Körnlein, lass das Jahr recht fruchtbar sein.“

Im Stall ging sie zu all ihren Tieren, brachte Brot und Salz. Sie streichelte sie sanft, strich der Kuh mit einem immergrünen Zweig über den Rücken, dann über den Bauch und die Beine und sprach zu ihr: 

„Ich wünsche dir Gesundheit und ein schönes Kälbchen. Und genug Milch für das Kälbchen und für uns.“

Als sie alle bedacht hatte, sich bei allen bedankt hatte und ihre Wünsche ausgesprochen hatte, holte sie ein weißes Tischtuch, so rein wie ihre Seele und lief zu dem Hollerbusch, der neben dem Haus wuchs. Dort deckte sie ein kleines Tischlein und legte darauf eine weiße Semmel, ein Schälchen Honig und stellte einen Becher frischen Kräutertee dazu.

Als alles getan war ging sie zurück in ihr Haus, setzte sich gemütlich an den Herd und wenn nun jemand auf den Hof kommen würde, dann sollte niemand anderes draußen sein. Es dauerte nicht lang und wären wir dort gewesen, so hätten wir die schöne Frau gesehen in ihrem langen weißen Kleid. Darüber trug sie einen Mantel, der bis zum Boden reichte. Er schwang wie eine Glocke, so vornehm und schön. Doch niemand soll das sehen. Diese Nacht gehörte ihr ganz allein: der Frau Holle - der großen Göttin.

Sie streichelte zart über die dürren Äste des Strauches, der ihren Namen trug. Diesen Strauch hatte sie zum Gehilfen der Menschen gemacht. Er wachte über den Hof, schützte Menschen und Tiere und schenkte den Familien jedes Jahr reichen Segen: im Frühling mit tausenden weißen Blüten, welche die Frauen zu allerlei Speis und Trank zu verarbeiten verstanden. Übers Jahr wuchsen kleine schwarze Beeren am Strauch und waren voll mit rotem Saft, der Krankheiten vertrieb und den Menschen wieder zu Kräften verhalf. Doch nun stand er schweigend und reckte seine Äste im Mondlicht. So reicht er nämlich der Frau Holle die Hand. Ganz still war es und der Mond ließ den Schnee, der über allem lag, glitzern und leuchten, wie tausende Kristalle.

Wären wir dort gewesen, dann hätten wir aber auch etwas gehört. Die feinen zarten Stimmchen. Hell und engelsgleich sangen sie nämlich unter dem schwingenden Mantel der schönen Frau. Das waren die Seelchen, die kleinen Seelchen, die immer wieder unter ihrem Mantel Schutz suchten und neugierig wieder hinausschlüpften, wenn sie sich einem Haus näherten. Als die große Frau nun an dem Tische stand und von dem Tee trank und von den Speisen aß, da begaben sich die Seelchen zu den Fenstern und schauten in das Haus. Sie wollten sehen, ob dort nicht ihre Mutter wäre, ihre nächste Mutter. So geschieht das nämlich, dass in dieser Zeit die Seelen ihr neues Zuhause suchen. Und dann, wenn es an der Zeit ist, dann kommen sie wieder. Als sie sich gestärkt hatten, hörte man wie die Stimmen sich entfernten und leiser wurden. Sie zogen weiter und waren bald verschwunden.

 

Lassen wir sie ziehen! Möge das neue Jahr viele schöne und ungeahnte Segnungen für uns alle bereithalten!

Herzliche Grüße 

Katrin Bamberg

 

Die Erzähltermine:

Donnerstag 05.01.23 19 Uhr Theater der 2 Ufer Kehl Raunachtszauber

Samstag 07.01.23 11 Uhr Mediathek Kehl Kaminzauber für die Familie

Freitag 13.01.23 19 Uhr Kirche Sand Wunschpunsch

Sonntag 22.01.23 15 Uhr Theater der 2 Ufer Kehl Sonntagsmärchen

Sonntag 05.02.23 15 Uhr Theater der 2 Ufer Kehl Sonntagsmärchen

Freitag 10.02.23 19 Uhr Kirche Sand Wunschpunsch

Märchen
Wer schenkt, muss auch teilen können
Weit von hier lebte einst ein Bauer, karg war sein Lohn, viel musste er seinem Gutsherrn abgeben. Und weil er reichlich viele hungrige Mäuler zu stopfen hatte, blieb ihm nur wenig. E ...
Wer schenkt, muss auch teilen können

Weit von hier lebte einst ein Bauer, karg war sein Lohn, viel musste er seinem Gutsherrn abgeben. Und weil er reichlich viele hungrige Mäuler zu stopfen hatte, blieb ihm nur wenig.

Es ging auf Weihnachten zu. Eine einzige Gans hatten sie übrig, nur gab es zu dem Tier weder Brot noch Kartoffeln, selbst das Salz fehlte. Ein Jammer war das. Wie der Bauer nun die Gans geschlachtet, gerupft und ausgenommen hatte, dachte er: „Schönes Fleisch ist es schon, aber ohne Kartoffeln oder Brot. Nicht mal gesalzen! Ach, dann soll der Gutsherr sie nun auch noch haben!“ Die Frau erschrak, die Kinder weinten und der Bauer lief mit der geschlachteten Gans unterm Arm hinüber zum Gutsherrn.

Die Herrschaft stand im Eingang versammelt, schön gekleidet, in den Händen hielten sie kristallene Gläser mit edlem Wein gefüllt. Der Gutsherr, seine vornehme Frau, zwei starke Söhne und zwei bildhübsche Töchter. Sie erwarteten ganz gewiss hohe Gäste zum Fest. Da platzte der Bauer herein, das tote Tier unter dem Arm. Er verneigte sich und sprach: „Die möchte ich hierlassen, zur Verehrung der Herrschaft. Vielleicht wird sich der Gutsherr dankbar zeigen und uns Brot und Kartoffeln dafür schenken. Dann würden die Kinder wenigstens an Weihnachten satt werden.“ – „Ich danke dir sehr“, sprach der Gutsherr „du scheinst dich mit der Gerechtigkeit auszukennen. Vielleicht willst du uns zeigen, wie man ein solches Tier gerecht unter uns allen hier teilt. Gelingt es dir, mir eine überzeugende Variante des Teilens zu zeigen, soll es dein Schaden nicht sein. Gelingt es dir aber nicht, so lasse ich die auspeitschen.“

Alle schauten mit großen Augen. Still war es, dass man hätte die Flöhe husten hören können. Der Bauer nahm sein Messer vom Gürtel und trennte der Gans den Kopf ab, überreichte ihm dem Gutsherrn und sprach: „Du bist das Oberhaupt der Familie, dir gebührt der Kopf.“

Dann trennte er Bürzel ab und reichte ihm der Herrin: „Du sitzt zu Hause und wachst über die Wirtschaft. Deshalb bekommst du den Allerwertesten der Gans.“

Darauf schnitt er die Füße ab und reichte jedem Sohn eines: „Ihr werdet in die Fußstapfen eures Vaters treten, deshalb bekommt ihr die Füße.“

Schließlich trennte er die Flügel ab und reichte sie den Töchtern: „Ihr beiden werdet groß und eines Tages das Nest verlassen, um eure eigenen Familien zu gründen. Euch gehören die Flügelchen.“

Der Bauer schaute in die erstaunten Gesichter und sprach: „So können alle zufrieden sein! Dann nehme ich den Rest der Gans.“ Der Gutsherr begann aus vollem Halse zu lachen. Er beschenkte den Schlauberger mit einem Korb voller Gemüse, einen Sack Kartoffeln und drei Broten. Zufrieden kam der Bauer bei der Frau und den Kindern an. Das gab ein Fest, glaubt es nur. Die Geschichte musste der Bauer wieder und wieder erzählen.

Natürlich erfuhr davon ein anderer Bauer. Der hatte nach dem Fest noch fünf stattliche Gänse im Stall und dachte bei sich. „Wenn ich die auf schlaue Art beim Gutsherrn vermehre, dann bin ich endlich reich.“ Schnell waren die Gänse geschlachtet und er trug sie zum Gutsherrn. „Ich bringe aus Verehrung meine letzten fünf Gänse.“ In Gedanken rechnete er schon aus, was er dafür wohl bekommen würde. „Nun, sprach der Herr, euer Geschenk freut und ehrt mich gleichermaßen. Doch wie gedenkt ihr dieses Geschenk gerecht aufzuteilen?“ Der Bauer überlegte und probierte, legte eine Gans für den Bauern, eine für die Frau beiseite, da reichte es nicht für die Kinder. Er konnte es drehen und wenden, fünf Gänse für sechs Personen, das ging nicht auf. Er würde obendrein leer ausgehen.

Der Gutsherr ließ den armen Bauern holen: „Teile sie gerecht auf!“, befahl der Herr. Der arme Bauer nahm eine Gans, überreichte sie dem Gutsherrn und seiner Frau und sprach: „Bitte sehr, nun seid ihr zu dritt.“ Die nächste reichte er den Söhnen: „Auch ihr seid nun zu dritt.“ Das dritte Vögelchen überließ er mit ähnlichen Worten den Töchtern. Dann nahm er die beiden Übrigen, eins links, eins rechts und sprach: „Jetzt sind wir auch drei! Das ist gerecht oder etwa nicht?“

Der Gutsherr bog sich vor Lachen. „Das sind wahre Helden: diejenigen, die einen klugen Kopf bewahren und auch in schwierigen Zeiten den Humor nicht verlieren.“ Für so einen klugen Rat bekam der arme Bauer ein Säckchen gefüllt mit goldenen Münzen. Sagt selbst, das war doch gerecht!

(Aus: Heitere Märchen aus aller Welt, Boje-Verlag Stuttgart)

 

Erzähltermine im Advent:

Sonntag 10.12.2022 16 Uhr Schaunburg Oberkirch
Sonntag 11.12.2022 15 Uhr Theater der 2 Ufer
Donnerstag 15.12.2022 19:30 Uhr Alpha-Buchhandlung Offenburg
Freitag 16.12.2022 18 Uhr Hügelsheimer Adventskalender

 

Märchen
Der Mantel der Meerfrau
Ganz nah am Meer lebte einst eine Fischerswitwe, die hatte nichts als ihr kleines Mädchen und sie wohnten beide in einer ärmlichen, kleinen Kate. Das kostbarste, was sie besaßen, ...
Der Mantel der Meerfrau

Ganz nah am Meer lebte einst eine Fischerswitwe, die hatte nichts als ihr kleines Mädchen und sie wohnten beide in einer ärmlichen, kleinen Kate. Das kostbarste, was sie besaßen, waren die langen Haare. Die Mutter hatte schwarze lange Haare, die Tochter blonde. Die Mutter war eine geschickte Weberin und sie lebten von dem, was die gewebten Sachen einbrachten.

Das Kind liebte das Meer und ging jeden Tag an den Strand, wo es so gern mit Sand und Muscheln spielte. Oft trippelte sie zu den heranrollenden Wellen und spielte mit ihnen. Die Mutter sah das immer mit Sorge, sie konnte nicht
vergessen, dass das Meer ihr vor einigen Jahren den Mann weggenommen hatte. Eines Abends kam das Kind nicht wie sonst nach Hause.

Die Mutter lief zum Meer und suchte ihr Kind. Aber sie konnte es nirgends finden. Mit großer Angst blickte sie hinaus auf das Meer. Plötzlich hörte sie ein Singen vom Wasser her. Sie trat dicht ans Ufer und sah eine schöne Frau, die
bis zur Hüfte aus dem Wasser emportauchte und sich singend wiegte:

„Im Schloss aus Kristall
die Fische mir dienen,
und die Kinder all,
sie spielen mit ihnen.
Singen und tanzen tief unten im Meer,
keines von ihnen gebe ich her.“

Da ahnte die Mutter, dass die Meerfrau ihr Kind geraubt hatte und sie rief: „Wo ist mein Kind?“ Die Meerfrau schwamm an das Ufer, setzte sich auf einen Stein.
Doch was war das für ein seltsamer Unterleib! Es waren keine Beine, aber ein Fischschwanz mit Flosse war es auch nicht. Vielmehr sah der Unterleib aus wie
die Fangarme eines riesigen Tintenfisches.

Die Meerfrau sprach im eindringlichen Ton: „Das Meer darf kein Menschenleben, was es sich einmal genommen hat, an die Erde zurückgeben
– nie und nimmer. Das ist das Gesetz des Meeres.“

Die Mutter aber flehte: „Lass mich meine Tochter sehen! Ich will wissen, wie es ihr geht.“ Sie forderte, sie bat und flehte so lange, bis die Meerfrau endlich sagte: „Wenn du mir tausend Meilen weit und tausend Klafter tief ins Wasser folgst, sollst du dein Kind wiedersehen. Es ist ein weiter Weg. Hast du den Mut dazu?“ Die Frau überwand ihre Angst, hielt sich am Rücken der Meerfrau fest und umschlang den seltsamen Unterleib mit ihren Beinen. Schon glitten sie dahin, durch die Wellen und dann hinab in die tiefe Finsternis.

Endlich strahlte aus der Tiefe ein Lichtschimmer auf, die beiden sanken hinab in den prächtigen Palast der Meerfrau. Das Dach war gebaut aus vielerlei zierlichen Muscheln, die Mauern aus farbenfrohen Korallen, die Fenster aus Kristall und überall waren kunstvolle Mosaike aus kostbaren Perlen. Durch eine glasklare Wand sah die Mutter in einen hell erleuchteten Saal, dort spielten die Kinder ausgelassen miteinander, schwammen mit den Fischen und lachten.

Die Mutter sah ihre Tochter in der fröhlichen Schar! Sie rief sie an, aber das Kind hörte sie nicht, und die Meerfrau sagte: „Du hast dein Kind gesehen, hast gesehen, dass es glücklich ist, nun gib dich zufrieden!“ Und in Windeseile brachte sie die Mutter zurück.

Die Mutter aber verlangte: „Gib mir mein Kind zurück! Gib es zurück!“ Schließlich überlegte die Meerfrau, schaute an ihrem Körper hinunter und schlug der Mutter ein Geschäft vor: „Nun gut, wenn du mir aus deinen schönen langen Haaren einen Umhang webst, der meinen ganzen Körper bedeckt, dann sollst du dein Kind wiederhaben!“ Sie gab der Mutter eine Salbe für die Kopfhaut, damit das abgeschnittene Haar schnell wieder nachwachse.

Die Weberin eilte nach Hause, schnitt sich das nachtdunkle Haar ab und webte Tag und Nacht. Sie nähte einen Umhang daraus, und beim nächsten Vollmond ging sie damit zum Stein am Strand, wo die Meerfrau auf sie wartete. Aber der Umhang reichte nur bis zum Gürtel. „Er ist zu kurz, viel zu kurz!“ rief sie und warf ihn der Weberin vor die Füße.

Der Mutter daheim wuchsen die Haare nur langsam, sie musste viele Jahre warten, bis sie nachgewachsen waren, und sie waren nicht mehr nachtschwarz, sondern ganz weiß vor lauter Kummer! Damit webte sie weiter, und als erneut der Vollmond aufstieg, legte sie den Umhang der Meerfrau um. Aber die warf das Gewebe von sich und rief: „Er ist immer noch zu kurz, ich kann diese Fangarme nicht darunter verstecken. Und wie sieht er aus, oben schwarz, unten weiß!“

An diesem Abend trug die Meerfrau, ohne es zu wissen, ein einzelnes Haar der Mutter in ihr Schloss zurück. Kaum hatte das Kind es berührt, erinnerte es sich plötzlich an die Mutter, rief nach ihr und suchte eine Tür, um das Schloss zu verlassen, aber alle Türen waren verschlossen.

Da begegnete dem Mädchen eine uralte Schildkröte, der klagte sie ihr Leid. Und die Schildkröte wusste Rat: „Schneide dir dein blondes Haar ab, ich werde es deiner Mutter bringen, damit sie den Mantel fertig nähen kann. Aber verbirg deinen kahlen Kopf unter einem Algenschmuck, und sei fröhlich wie sonst.“ Sie brachte die blonden Haare auf den Stein am Ufer, wo die Mutter sie fand und erkannte, dass es die Haare ihrer Tochter waren.

Dankbar sah sie in den Sternenhimmel, und da wusste sie, wie der Stoff aussehen sollte. Sie trennte das bisher Entstandene geduldig auf und webte dann einen nachtdunklen Stoff mit silbernen und goldenen Sternen darin.

Als der Vollmond über dem Meer leuchtete, war der Mantel fertig. Die Meerfrau saß auf dem Stein, hielt ihn gegen das Mondlicht, lächelte und sagte: „Er ist lang, er ist schön. Du sollst dein Kind nun wiedersehn.“

Während der vielen Jahre war die Tochter zu einer schönen jungen Frau herangewachsen. Und weil die Meerfrau das Mädchen so gern hatte, schenkte sie ihr ein Kästchen mit wertvollen Perlen und Kristallen und brachte sie zurück nach Hause.

Am Strand wartete die Mutter und alle Dorfbewohner. Freudig wurde das Mädchen empfangen. Ein Fest wurde gefeiert, viele Tage lang. Und sie lebten glücklich und zufrieden bis an ihr Ende.
Erzählfassung: Katrin Bamberg
(nach einem alten Nordseemärchen)

katrin bamberg