Im Holzwurm trifft Wort Ton
(kdj) Den Auftakt zur zweiten literarisch-musikalischen Saison des Jahres mit dem AutorenNetzwerk Ortenau-Elsass® erlebte das begeisterte Publikum bei „Wort trifft Ton" im Sasbachwaldener Holzwurm. Seit rund einem Jahr ist die gemütliche Vesperstube am Fuße des mit seinen 32 Kunstwerken mehrfach prämierten „Kunstwegs Weinsüden" einer der beliebtesten Auftrittsorte der einst auf dem Sasbachwaldener Bischenberg durchgestarteten Interessengemeinschaft. Die stets an einem Donnerstag in dem urigen Fachwerkhaus angebotene Veranstaltungsreihe „Wort trifft Ton" erfreut sich wachsender Beliebtheit. Platzreservierungen sind daher eine heiße Empfehlung, wenn die Pächterin Sylvia Kreutzer und ihr Team Publikum und Künstlern die Tür zum geselligen Beisammensein und dem persönlichen Gespräch öffnen.
Am Donnerstag trat das AutorenNetzwerk mit der Bühler Autorin Brigitte Gutmann, dem Mösbacher Mundart-Poeten Josef Wilhelm sowie dem Musikertrio „Combo2Go" mit Joe Winterhalter aus Oberkirch, Bernhard Blödt aus Baden-Baden und Rolf Schneider aus dem Kinzigtal sowie der Oberkircher Autorin und Verlegerin Karin Jäckel auf. Angesichts des gegenwärtig oftmals schwer zu verkraftenden Zeitgeschehens lade die Gruppe zu einem „Romantischen Abend" mit Liedern der 20er, 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts und heiterer literarischer Kost ein, so Karin Jäckel in ihrer kurzen Begrüßungsansprache.
Reisen habe immer etwas Romantisches, meinte Brigitte Gutmann, die in einem orientalischen Gewand zu den Muezzins in Ägypten entführte, deren allgegenwärtige Allah-Rufe sie bei ihrer Heimkehr aus der Ferne im badischen „Allà!" wiederzuhören glaubte. Ihr „Vogelherz", das sie in einem autobiographisch geprägten Gedicht offenbarte, sprang über den ägyptischen Erinnerungen in emotionalen Versen zwischen Fern- und Heimweh bis hoch zum sternenbestickten Himmelsbogen über Wüstensand.
Ihre einfühlsame Musikgestaltung bewies das Trio „Combo2Go" nicht allein mit zauberhaften Melodien vom „Armen Wandergesell" oder dem „Einsamen Glöcklein", sondern auch mit frechen Ratschlägen fürs Leben wie dem, einer schönen Frau nicht zu tief in die Augen zu schauen, da deren Blicke nie hielten, was sie versprachen, oder dem Wunsch aller schmachtenden Liebhaber, die so gern „dein Herz klopfen hör'n" möchten.
Brigitte Gutmanns Wüsten-Sterne wurden musikalisch zu „Heimat, deine Sterne", von Rolf Schneider in schmelzendem Tenor intoniert und von dem Bariton Joe Winterhalter zur Gitarre und Bernhard Blödts Akkordeon untermalt. Mit den blühenden Bäumen im Prater entstanden gleich darauf Blütensterne vor den inneren Augen, die Josef Wilhelms Hommage an die Mösbacher Kirschen aufgriff. Der regional weithin bekannte Mundart-Poet vom Mösbacher Lochhof ist nicht nur eines der Ehrenmitglieder des AutorenNetzwerks, sondern auch Gewinner des 1. Mundart-Lyrik-Preises beim Leserabe-Schreibwettbewerb 2024. Diesen loben das Netzwerk und der Förderverein der Mediathek Oberkirch e.V. seit 11 Jahren gemeinsam aus. Auch im Holzwurm konnte der Poet mit seinem tiefsinnigen Gewinner-Gedicht über die „Sunneblume" überzeugen. Nicht weniger Beifall erhielt er für seine „G'schichtli" über das Leben auf dem Land in den 50er-60er Jahren. Schmunzelnd hörte man vom Kauf eines viel zu teuren Motorrads, das der Vater des Autors als damaliger Lochhofbauer sich geleistet hatte und dann nie zu fahren wagte, sondern im Schlafzimmer parkte, bis er es gegen einen Traktor mit grandiosen 16 PS eintauschte. Eine andere Anekdote zeugte von der Emanzipation der Hausfrau auf dem Lochhof, die als stolze Mofafahrerin den Fahrtwind in den Haaren liebte und lange den „Kochhafen" auf dem Kopf ablehnte. Erst bei winterlichen Temperaturen lernte sie ihn zu schätzen. Wie gern wäre sie auch auf heißeren Reifen unterwegs gewesen, wenn nur der „Karch" es hergegeben hätte! Nachdenklich erinnerte man sich mit dem Autor an die Zeit der einstigen Berufswahl, die keineswegs der heutigen Freizügigkeit entsprach. In seinem Fall waren Lehrer und Pfarrer zwar überzeugt, er sei für ihren Berufsstand prädestiniert, doch ging der elterliche Wunsch vor, ihren Ältesten als Nachfolger auf dem Hof zu halten. Der Herrgott, meinte der Autor mit verschmitztem Augenblinzeln, werde wegen der Absage an den Pfarrer ja hoffentlich ein Einsehen haben. Angesichts der aus glücklicher Ehe hervorgegangenen Kinder- und Enkelschar werde der Herr wohl verstehen, dass „ich nicht alles machen konnte."
Der nächste literarisch-musikalische Holzwurm-Abend findet am Donnerstag, dem 9. Oktober statt. Anmelden kann man sich schon jetzt per E-Mail an info@editionblauestunde.com oder telefonisch (AB) unter 07802-7010030.
Foto ©Klaus-Peter Jäckel Von links nach rechts: Bernhard Blödt, Joe Winterhalter, Rolf Schneider, Josef Wilhelm, Brigitte Gutmann
Foto ©Klaus-Peter Jäckel
Von links nach rechts:
Bernhard Blödt, Joe Winterhalter,
Rolf Schneider, Josef Wilhelm,
Brigitte Gutmann, Karin Jäckel