Regio Ortenau

#RegioGespräch: Wie ein kleiner Biomarkt in Friesenheim zur Herzensangelegenheit wurde

Lesezeit: ca. 6 Minuten

Wer glaubt, dass kleine inhabergeführte Bioläden keine Chance gegen die großen Ketten haben, der kennt Irene Krieg noch nicht. Die agile 58-jährige Unternehmerin beweist in Friesenheim, dass es auch anders geht – mit Herzblut, innovativen Ideen und einer treuen Gemeinschaft.

Juni 2024, Friesenheim, apg. Wenn Irene Krieg von ihrem Biomarkt Naturalia erzählt, dann spürt man sofort: Hier geht es um mehr als nur ums Geschäft. „Der Bioladen Naturalia ist mein Leben", sagt die Inhaberin ohne Umschweife. Mit 160 angesammelten Urlaubstagen ist das keine Übertreibung, sondern gelebte Realität. Seit 2017 führt sie den zertifizierten Biomarkt im Herzen von Friesenheim, direkt gegenüber dem Rathaus – und das mit einer ansteckenden Leidenschaft.

Die Geschichte von Naturalia beginnt jedoch schon viel früher. Bereits 1992 eröffnete Irene Krieg gemeinsam mit ihrem Mann einen kleinen Obst- und Gemüseladen auf gerade einmal 30 Quadratmetern. „Damals war der Begriff biologischer Anbau noch nicht in aller Munde", erinnert sie sich. Doch schon damals war der Anspruch klar: unbehandelte, naturbelassene Produkte aus der Region anzubieten.

Von der Vision zur Realität

2016 kam dann der große Schritt: Der Umzug in die neuen Räumlichkeiten mit 350 Quadratmetern Verkaufsfläche. Möglich wurde dies durch eine ungewöhnliche Partnerschaft mit der Regionalwert AG Freiburg-Südbaden, einer Bürgeraktiengesellschaft, die nachhaltige Projekte in der Region fördert. „Wir haben keine Schulden bei der Bank, sondern bei der Regionalwert Freiburg", erklärt Krieg stolz. Die AG hält 60 Prozent, sie selbst 40 Prozent der Anteile – eine Konstellation, die ihr die nötige finanzielle Stabilität gibt, ohne die Eigenständigkeit aufzugeben.

„Der Kunde entscheidet mit seinem Geld, welche Welt er haben möchte."
Autor unbekannt

Diese Überzeugung lebt Irene Krieg jeden Tag. Besonders stolz ist sie auf ihre Käsetheke – mit über 150 verschiedenen Bio-Käsesorten vermutlich die größte in der ganzen Ortenau. „Jeder Käse kann probiert werden", betont sie. Doch Naturalia ist mehr als ein Lebensmittelgeschäft. Es ist ein Ort der Begegnung, ein soziales Zentrum im Ort.

Die Naturalia Käpsele – Solidarität, die schmeckt

Ein besonders innovatives Konzept hat Irene Krieg mit den „Naturalia Käpsele" entwickelt. Über 100 Stammkunden zahlen monatliche Beiträge und erhalten dafür Einkaufsguthaben. „Es ist wie in der solidarischen Landwirtschaft", erklärt die Unternehmerin. „Die Kunden geben uns Planungssicherheit, und wir geben ihnen beste Qualität und Gemeinschaft." Jeden zweiten Dienstag im Monat treffen sich die Käpsele sogar zu Kaffee und Gesprächen im Laden.

Offener Treff im Naturalia Bio-Café

Jeden zweiten Dienstag im Monat lädt das Naturalia Bio-Café in Friesenheim zu einem offenen Treff ein – ein Ort der Begegnung und des Austauschs. Unter einem wechselnden Motto oder begleitet von einem kurzen Impulsvortrag kommen Menschen aus der Region zusammen, um bei einer Tasse Kaffee über Themen der Zeit zu sprechen. „Es ist eine schöne Gelegenheit, Gemeinschaft zu erleben und neue Impulse mitzunehmen“, sagt Irene Krieg. Der Treff ist offen für alle Interessierten – ganz gleich, ob Stammkunde oder Neugierige*r.

Herausforderungen und Hoffnung

Die Realität ist allerdings nicht immer rosig. „Die Umsätze sinken, und die Neukundengewinnung ist schwierig", gibt Irene Krieg offen zu. Die Konkurrenz durch Bio-Discounter, hohe Zertifizierungskosten und ausufernde Bürokratie machen dem kleinen Laden zu schaffen. Trotzdem oder gerade deswegen kämpft sie weiter: „Ich bin davon überzeugt, dass wir alle davon leben könnten, wenn die Landwirtschaft zu 100 Prozent auf biologische Erzeugung umgestellt wäre."

Ihr Appell ist eindringlich: „Leute, überlegt euch doch, wo ihr euer Geld ausgebt! Unterstützt lokale Händler, solange es sie noch gibt!" Dabei geht es ihr nicht nur ums eigene Geschäft. Es geht um eine Philosophie, um die Frage, in welcher Welt wir leben wollen. „Regional ist die beste Wahl", betont sie – ein Satz, der mehr ist als ein Werbeslogan.

Ein Blick in die Zukunft

Trotz aller Widrigkeiten blickt Irene Krieg optimistisch nach vorne. Die treue Käpsele-Gemeinschaft gibt ihr Kraft, und neue Mitarbeiter, die aus der Industrie zurück in den Handel kommen, zeigen: Es gibt sie noch, die Menschen, die Wert auf Qualität, Regionalität und persönlichen Service legen.

Wer einmal die Atmosphäre bei Naturalia erlebt hat, versteht, warum dieser Laden mehr ist als nur ein Geschäft. Es ist ein Stück Heimat, ein Ort, wo man noch mit Namen begrüßt wird und wo hinter jedem Produkt eine Geschichte steckt.

Unser Tipp: Besuchen Sie Naturalia in der Friesenheimer Hauptstraße 72 und lassen Sie sich von der Vielfalt überraschen. Werden Sie Teil der Käpsele-Gemeinschaft oder probieren Sie einfach mal einen der 150 Bio-Käse. Denn wie Irene Krieg sagt: „Man muss die Menschen für gute Lebensmittel begeistern." Und das gelingt ihr jeden Tag aufs Neue.

Besuchen Sie Naturalia in der Friesenheimer Hauptstraße 72 und lassen Sie sich von der Vielfalt überraschen. Öffnungszeiten: Mo, Di, Do, Fr 9 – 18 Uhr | Sa 8 – 14 Uhr

Stand 03,06.2025 - apg

RegioOrtenau empfiehlt: Regionalwert Biomarkt Naturalia GmbH

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