Was Theodor Storm 1874 in seiner Novelle „Pole Poppenspäler" als Liebeserklärung an die fahrenden Puppenspieler verfasste, wird in der Ortenau seit Jahren gelebte Realität: Die PuppenParade Ortenau bringt elf Kommunen zusammen, um Figurentheater in seiner ganzen Bandbreite zu feiern – vom klassischen Kasperle bis zur existenzialistischen Himbeere.
apg. Es war der 4. Dezember 2025, als sich im KundenZentrum der Sparkasse Oberkirch eine bemerkenswerte Runde versammelte. Draußen noch zwanzig Tage bis Weihnachten, drinnen schon die Vorfreude auf den Frühling. Genauer: auf die PuppenParade Ortenau 2026, die vom 7. bis 29. März ihre Bühnen öffnen wird.
Was bei der Pressekonferenz sofort auffiel: Hier saßen keine Einzelkämpfer, sondern ein eingespieltes Team, das mit sichtbarer Begeisterung von „ihrem" Festival sprach.
Jürgen Riexinger, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Offenburg/Ortenau, machte gleich zu Beginn klar, woran man bei ihm ist: „Wir stehen zu dem Thema wie eine Burg." In Zeiten, in denen allerorten Kulturetats zusammengestrichen werden, ein Satz, der aufhorchen lässt. Die Sparkassen der Ortenau – neben der Offenburg/Ortenau auch die Sparkasse Hanauerland und die Sparkasse Kinzigtal – sind seit Beginn Hauptsponsoren. Ein großer Teil der Förderung kommt aus der Regionalstiftung.
Das Festivalbüro wird von Christof Fischer-Rimpf und Juliana Eiland-Jung geleitet – zwei Namen, die man sich merken sollte, wenn man verstehen will, wie interkommunale Kulturarbeit funktionieren kann. Fischer-Rimpf, selbst ein „Überzeugungstäter" im Hinblick auf Figurentheater, betonte: „Es ist für uns ein besonders schönes, interkommunales Festival dieser Art in Baden-Württemberg."
Die Eröffnung findet am 7. März 2026 in Oberkirch statt – und Isabell Ehrlich vom Sachgebiet Kultur der Stadt konnte ihre Freude kaum verbergen. Kein Wunder: Oberkirch feiert 2026 die Heimattage Baden-Württemberg, und nun kommt auch noch die Festivaleröffnung dazu. „Wir bilden den Startschuss", sagte sie, und man spürte den Stolz.
Ab 10 Uhr wird der Marktplatz zur Bühne: Die Freiburger Puppenbühne bringt „Das Goldene Einhorn", das Theater Fiesemadände den „Fritz Rasselkopf". Besonderes Highlight: Eine kleine Puppenparade der Oberkircher Kindergärten und Schulen mit selbst gebastelten Figuren.
Mareike Kopf von der Tourist-Information Rust sprach über das Kinderprogramm – 19 Stücke, von „Das hässliche Entlein" über „Peter und der Wolf" bis zum traditionellen Kasperle. „Figurentheater fördert Kreativität und Fantasie schon in jungen Jahren", betonte sie. Für kleine Kommunen wie Rust sei es wichtig, „einen Ort der Begegnung vor der Haustüre zu schaffen".
Antje Haury vom Kulturbüro Offenburg übernahm die Vorstellung des Erwachsenenprogramms – und hier wurde es richtig spannend. Acht Stücke, die zeigen, dass Figurentheater längst kein Kinderkram mehr ist.
Für die Gemeinde Neuried sprang Annika Schneider ein und berichtete vom Theater Baden-Elsass, das mit „Die Burg" (Thomas Zotz, Theater PassParTu) dabei ist – Mittelalter und Rittertum als Marionettentheater.
Die Bandbreite des Erwachsenenprogramms lässt staunen:
„Hokus Pokus" von Familie Flöz in Offenburg (13. März) – ein Großbühnenwerk, das mit Adam und Eva beginnt und die Entstehung der Welt zeigt. „Sehr umfassend, sehr tiefgründig", so Antje Haury.
„Himlet" im Kulturhaus Kehl (19. März) – Objekttheater der besonderen Art. „Eine Himbeere ist ein Protagonist", erklärte Haury. „Diese Himbeere hat suizidale Gedanken, könnte man denken, weil sie so am Rand des Tisches steht." Shakespeare trifft Frühstückstisch.
Die Zauberflöte aus der Perspektive der Souffleuse (20. März) – mit Christine Weidringer, offizieller Botschafterin für Erfurt und das ostdeutsche Puppentheater.
Murzarella in Lahr (21. März) – Bauchrednerei trifft Kabarett mit Dudu dem Kakadu aus Australien, Kalle dem Heavy-Metal-Fan aus Wanne-Eickel und Adelheid, einer Operndiva aus Baden-Baden.
„Fussmord und andere Liebesdramen" – ja, Sie lesen richtig: Fußtheater. Anne Klinge spielt liegend, mit Händen und Füßen. Fischer-Rimpf, der sie letztes Jahr sah, war begeistert: „Eine absolut irre Darstellungsform."
Der griechische Figurentheaterabend in Gengenbach (28. März) bringt drei Kompanien auf eine Bühne – experimentelles Theater, freie Szene. „Da muss man sich überraschen lassen", so Haury.
Eine kurzfristige Änderung gab es für Oberkirch: Statt „Misery" kommt nun „Royaler Käse" vom marotte Figurentheater – Quentin Tarantinos „Pulp Fiction" auf der Puppenbühne. Das Stück existiert Stand heute noch nicht, Oberkirch wird eine der ersten Spielstätten sein. Fischer-Rimpf nahm es pragmatisch: „Selbst jemand, der zu Misery wollte und dann Royaler Käse bekommt, wird wahrscheinlich genauso zufrieden sein."
Besonders am Herzen liegt dem Team die Zugänglichkeit. Die Open-Air-Tage sind kostenfrei:
Juliana Eiland-Jung brachte es auf den Punkt: „Wir investieren lieber in Erlebnisse als in große Marketingstrategien."
In „Pole Poppenspäler" schrieb Storm über die Puppenspieler als verkannte Künstler, deren Handwerk Würde und Anerkennung verdient. 150 Jahre später zeigt die PuppenParade Ortenau, dass diese Anerkennung möglich ist – wenn elf Kommunen, engagierte Sparkassen und ein leidenschaftliches Team zusammenarbeiten.
Riexinger hatte noch einen praktischen Tipp: „Noch 20 Tage bis Weihnachten. Eintrittskarten sind ein schönes, überschaubares Geschenk."
Dem ist nichts hinzuzufügen. Außer vielleicht: Vorsicht bei den Himbeeren am Frühstückstisch. Man weiß nie, was in ihnen vorgeht.
Programm und Karten: www.puppenparade.de
Beteiligte Kommunen: Oberkirch, Offenburg, Lahr, Kehl, Gengenbach, Ettenheim, Rust, Neuried, Zell a.H., Achern und Friesenheim.